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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Autoren: Josef Wilfling
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werden müsse. Vorher wollte sie nicht darüber reden, nicht mit ihren Sorgen und Problemen hausieren gehen. Geöffnet habe sie sich immer erst, wenn sie bereits eine Entscheidung getroffen hatte, und dann die Familie vor vollendete Tatsachen gestellt – sie umzustimmen sei kaum noch möglich gewesen. Wenn sie sich einmal zu einer Entscheidung durchgerungen habe, sei sie stur dabeigeblieben. Und bei anderen ausgeweint, das habe sie nie getan. Im Ge genteil, sie konnte knallhart sein, wenn es darauf ankam.
    Aha, dachte ich, sehr interessant. Gab es irgendwo ein Problem und damit die berühmte »Zuspitzung der Ereignisse im zeitnahen Vorfeld der Tat«, wie es Juristen zu nennen pflegen? Wir würden es heraus finden …
    Der Erkennungsdienstbeamte, der mit seinen Kollegen die Spurensicherung durchführte, war ein alter Fuchs, der schon Hunderte von Einbrüchen bearbeitet hatte. Sein erster Kommentar: »Das war kein Einbruch. Es sollte nur so aussehen.«
    Er behielt recht. Darin waren wir uns nach genauer Sichtung einig. Welcher Einbrecher würde sich schon die Mühe machen, Schubladen leer zu räumen, in denen sich erkennbar nur Krimskrams befand? Und warum hätte er wahllos Kartons, Schachteln und Sonstiges ausräumen und den Inhalt verstreuen sollen, während er wesentlich interessantere Fächer gar nicht oder nur halbherzig durchwühlt hatte?
    Nein, hier war nichts gesucht worden, hier sollte nur völlig wahl- und planlos Unordnung erzeugt werden. Jedenfalls ließ sich keines der typischen Einbruchsmuster erkennen, es sollte nur dieser Verdacht erregt werden. Ein manipulierter Tatort, der glauben machen sollte, ein Einbrecher habe die Frau getötet und dann nach Wertgegenständen gesucht. Wobei wir allerdings zunächst nicht herausfanden, ob etwas fehlte, und falls ja, was genau. Als wir es aller dings wussten, fingen alle Überlegungen wieder von vorne an, und erneute Zweifel machten sich breit. Mordermittlungen sind ein ständiges Wechselbad zwischen Hoffnung und Enttäuschung, zwischen Triumph und Niederlage.
    D ie Ermittlungen liefen auf Hochtouren – wie immer bei Mordfällen mit unbekannter Täterschaft. Alle verfügbaren Ermittler wurden eingesetzt, da besonders die Anfangsphase sehr wichtig ist. Je kürzer der »Vorsprung« des Täters, desto besser, denn mit der Zeit wird sein emotionaler Abstand zur Tat zunehmend größer. Wenn ich übrigens vom Täter spreche und die weibliche Variante außer Acht lasse, dann mit gutem Grund. Eine Frau als Täterin schied hier aus. Warum? Weil Frauen so nicht morden.
    Bei der Obduktion der Leiche im Institut für Rechtsmedizin in München wurde festgestellt, dass Gerda V. infolge Erstickens auf nicht natürliche Weise verstarb, wobei das Opfer fixiert und die Atemwege mehrere Minuten lang verlegt worden waren. Weichteilblutungen an beiden Oberarmen deuteten darauf hin, dass der Täter auf den seitlich ausgebreiteten Armen des Opfers gekniet haben musste, um es auf diese Weise niederzuhalten. Aufgrund dieser klaren Befunde konnte man sich geradezu bildlich vorstellen, wie der Mörder auf der rücklings am Boden liegenden Frau saß, mit beiden Knien die seitlich ausgestreckten Arme am Boden hielt und ein Kissen, eine Decke oder Ähnliches so lange mit aller Kraft auf das Gesicht drückte, bis kein Leben mehr in ihr war. Ein solch qualvoller Todeskampf kann, davon gehen Rechtsmediziner aus, bis zu zehn Minuten dauern und ist verbunden mit schrecklicher Todesangst. Man kann einen derartigen Tod durchaus mit der schlimmsten aller Tötungsarten vergleichen, die es meines Erachtens gibt, nämlich lebendig begraben zu sein. Deshalb war und ist es für mich unverständlich, warum in diesen Fällen nicht das Mordmerkmal der Grausamkeit greift.
    I n der Tatwohnung fehlte ein Geldbetrag von etwa 2 500 Euro, den die Frau für Notfälle in einer ausgehöhlten Bibel, die im Nachtkästchen lag, ver steckt hatte. Eigenartigerweise war im Schlafzimmer sonst nichts durchwühlt worden. Das bedeutete, dass der Täter dieses Versteck mit hoher Wahrscheinlichkeit kannte. Andererseits war zu bedenken, dass erfahrene Einbrecher über solche und ähnlich beliebte Geldverstecke genau Bescheid wissen. Die Geldbörse samt EC -Karte fehlte ebenfalls.
    Trotz aller Warnungen ihrer Tochter hatte Gerda V. die PIN -Nummer auf einem schmalen Aufkleber notiert, der sinnigerweise deutlich sicht- und lesbar in der Börse steckte. Ein Dieb hätte diesen Code gar nicht übersehen können, weshalb sich die Frage
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