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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers
Autoren: Josef Wilfling
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erreichen können und deshalb um 19.00 Uhr nach ihr sehen wollen. Zumal ihre Mutter seit Jahren Probleme mit dem Herzen hatte, ohne aber akut krank gewesen zu sein. Einen Schlüssel zur Wohnung besaß sie, sodass sie zusammen mit ihrem Ehemann problemlos nachschauen konnte.
    Voller Angst seien sie in die Wohnung gegangen, irgendwie nichts Gutes ahnend. Schließlich fanden sie ihre Mutter im Wohnzimmer liegend, in der Mi tte des Raumes, zugedeckt mit einer braunen Decke, die gewöhnlich auf der Couch lag. Als sie diese wegzogen und den Körper sahen, erkannten sie sofort, dass sie bereits tot war.
    Es sei ein schrecklicher Anblick gewesen, ihre Mutter so zu sehen. Sie würde diese Bilder ihr gan zes Leben lang nicht mehr loswerden, sagte sie weinend.
    Ich versuchte sie zu trösten und riet ihr, sich in professionelle Hände zu begeben. Ich verwies sie an den Psychologischen Dienst der Bayerischen Polizei, wo man ihr weiterhelfen würde. Ich persön lich habe übrigens die Erfahrung gemacht, dass man solche Bilder annehmen sollte und sie nicht verdrängen darf. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen, muss sie an sich heranlassen, ihnen quasi selbstbewusst entgegentreten und vor allem darüber reden.
    Der Ehemann der Tochter, der die Wohnungstür aufsperrte, war sich sicher, dass diese nicht nur ins Schloss gezogen, sondern zweimal versperrt war. Wobei der Wohnungsschlüssel nicht von innen steckte, sondern wie immer am Schlüsselbrett im Flur hing, wie es der Gewohnheit des Opfers entsprach. Es gebe noch einen dritten Schlüssel, sagte sie, doch den habe der Vater, der sich derzeit in Uganda aufhalte.
    Wenn also kein Schlüssel fehlte, konnte der Täter nach Verlassen der Wohnung die Tür nicht versperrt haben. Das bedeutete im Umkehrschluss, dass er die Wohnung nicht durch die Tür verlassen haben konnte. Demzufolge musste er den Tatort wieder so verlassen haben, wie er gekommen war, nämlich über den Balkon. Also doch ein Einbrecher? Einer, der zehn Meter in die Tiefe gesprungen war? Außerdem: Was war mit der Decke? Die Bedeckung der Leiche sprach nach kriminologischen Erkenntnissen und Erfahrungen für eine Beziehungstat. Es hat angeblich damit zu tun, dass Täter den Anblick ihrer Opfer nicht ertragen können, sofern sie ihnen nahestanden.
    Aber natürlich gibt es genauso Fremdtäter, die sich nach der Tat noch eine Zeitlang am Tatort aufhalten und nicht ständig in das verzerrte Gesicht der Person sehen wollen, die sie gerade getötet haben. Irgendwie gab es in diesem Fall zu viel Wenn und Aber.
    Für eine Beziehungstat kämen nur die Tochter, deren Ehemann oder eben der Ehemann des Opfers als Täter infrage. Außer diesen engen Bezugspersonen gab es noch die 92 -jährige Schwiegermutter des Tatopfers, die in München lebte und noch vernommen werden musste. Aber erst, nach dem ihr die Angehörigen schonend beigebracht haben, was passiert war. Andere Angehörige existierten nicht, das Umfeld von Gerda V. war überschaubar und setzte sich ausschließlich aus nicht aktenkundigen älteren Bürgerinnen zusammen. Wobei ich mir bereits am Tatort sicher war, dass man – rein vom Bauchgefühl her – die Tochter und deren Ehemann als Täter ausschließen konnte. Auch wenn man sich nie nur auf seine Gefühle verlassen sollte.
    Die junge Frau war tief erschüttert und wurde genau wie ihr Ehemann durch das Kriseninterventionsteam ( KIT ) betreut.
    »Wer kann denn so etwas gemacht haben?«, sagte sie schluchzend. »Meine Mutter war doch eine ganz normale Frau ohne Reichtümer und ohne Feinde.«
    Der Vater halte sich in Uganda auf, wohin er und die Mutter auswandern wollten. Sie hätten dort ein Haus gebaut, um in dem Land ihren Lebensabend zu verbringen. Ihr Vater würde übrigens am 9 . Dezember, also in knapp einer Woche, nach München kommen, den Flug habe er schon gebucht. Das stünde auch in dem Brief, der im Briefkasten lag und den er vor drei Tagen geschrieben hatte. Sie würde ihn gleich morgen früh anrufen und ihm die traurige Nachricht übermitteln. Mit ihrer Mutter hatte sie noch gestern Nachmittag telefoniert, ohne irgendwelche Auffälligkeiten zu bemerken. Das Ver hältnis zwischen ihren Eltern sei ihres Wissens in Ordnung gewesen. Allerdings nur, weil ihre Mutter gelegentliche Seitensprünge ihres Mannes geduldet hätte, sagte sie offen.
    In letzter Zeit wirkte ihre Mutter allerdings verändert, meinte sie. Sie habe deprimiert ausgesehen und erklärt, es gebe einige Probleme, über die sie sich noch klar
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