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Unheil

Unheil

Titel: Unheil
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf ihn, wie seine nächsten Worte bewiesen. »Sie sind also
gekommen.«
    Tom setzte dazu an, etwas zu sagen, doch der Schwarzhaarige brachte
ihn mit einem einzigen eisigen Blick aus seinen sonderbaren Augen nicht nur zum
Verstummen, sondern auch dazu, hastig aufzuspringen und davonzueilen. Conny sah
ihm nach, bis er in der zum Takt des zuckenden Schwarzlichtes wogenden Menge
verschwunden war, aber sie spürte den Blick der seltsamen Augen die ganze Zeit
weiter auf sich ruhen; wie die Berührung einer warmen und unangenehm trockenen
Hand.
    Â»Wer war das?«, fragte der Fremde. Auch seine Stimme war … seltsam,
fand Conny. Ein warmer, sehr weicher Bariton, der etwas Einschmeichelndes hatte
und zugleich so kalt und schneidend wie scharf geschliffener Stahl klang.
    Â»Nur ein Verehrer.« Conny blinzelte, als sie sich wieder umdrehte
und zu ihm aufsehen wollte. Er hatte sich gesetzt, auf denselben Stuhl, auf dem
Tom bisher gesessen hatte. Sie hatte es weder gehört noch gespürt; als hätte er
sich nicht nur lautlos, sondern überhaupt nicht bewegt.
    Conny rief sich in Gedanken scharf zur Ordnung. Dieser Mann war
zweifellos seltsam, aber das war auch schon alles. »Haben Sie mich
herbestellt?«, fragte sie, wobei sie zugleich gegen das vollkommen absurde
Gefühl ankämpfen musste, dass das gar nicht sein konnte. Die Nachricht hatte
sie als E -Mail erreicht, und alles in ihr sträubte
sich einfach gegen die Vorstellung, dass er der Absender sein sollte. Nicht
wegen ihres Inhalts oder dieses seltsamen Treffpunktes. So etwas wie eine E -Mail … passte einfach nicht zu
ihm.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lächelte er plötzlich auf eine
nicht nur beunruhigend wissende, sondern auch beinahe spöttische Art und beließ
es bei einem angedeuteten Nicken als Antwort. Conny überlegte, ob er das mit
Absicht tat und nur aus dem einzigen Grund, um sie zu verunsichern. Wenn ja,
hatte er Erfolg.
    Â»Warum?«
    Â»Um mich mit Ihnen zu treffen. Und Sie wollten es doch
offensichtlich auch, sonst wären Sie nicht hier.« Er beugte sich leicht vor,
wobei er sich mit beiden Händen auf den Knauf seines albernen Spazierstocks
stützte. Conny fiel auf, dass er sehr schlanke, fast filigrane Finger hatte,
die trotzdem den Eindruck großer Kraft vermittelten; fast wie man sie bei einem
Pianisten erwarten mochte, oder einem Chirurgen. Das fast resultierte
aus der Tatsache, dass seine Fingernägel zwar gepflegt, aber außergewöhnlich
lang und spitz zugefeilt waren. Außerdem waren sie schwarz lackiert.
    Â»Vielleicht war ich nur neugierig«, antwortete sie.
    Â»Neugierig?«
    Â»Auf jemanden, der sich so viel Mühe macht, nur um mir eine
kryptische Nachricht zukommen zu lassen, in der eigentlich nichts steht.«
    Das war keineswegs übertrieben. Nicht einmal den Spezialisten aus
der Cyberspace-Abteilung war es gelungen, den Absender der E -Mail zu ermitteln, und die Jungs waren gut; was
bedeutete, dass er mindestens ebenso gut war, wenn nicht besser.
    Â»Ganz so sinnentleert kann sie nicht gewesen sein, sonst wären Sie
nicht hier, oder?«
    Conny unterdrückte das Gefühl von Hilflosigkeit und Wut, das diese
Antwort in ihr hervorrief. Natürlich war nichts sinnentleert, was mit Lea zu
tun hatte. Sie konnte den Anblick des halb nackten toten Mädchens nicht
vergessen, das jemand wie ein Stück Abfall entsorgt und in einen
Altpapiercontainer am Straßenrand geworfen hatte, nicht annähernd so schlimm
zugerichtet wie manche andere, die sie zuvor gesehen hatte, aber mit einem
Ausdruck so abgrundtiefer Furcht in den erloschenen Augen, dass sie diesen
Anblick nie wieder wirklich vergessen könnte. Erst sehr viel später in dieser
Nacht, nachdem man auch die Kleider und die Handtasche des Mädchens im gleichen
Altpapiercontainer gefunden hatte und sie den Namen auf dem Personalausweis
las, hatte sie überhaupt begriffen, wer das tote Mädchen war.
    Lea. Die Tochter ihrer besten Freundin.
    Â»Was wollen Sie?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    Â»Sie kennenlernen.« Er hob besänftigend die Hand, als sie auffahren
wollte. »Und Ihnen meine Hilfe anbieten.«
    Â»Hilfe?« Conny dachte an Lea, an ihre gebrochenen Augen, die sie
anklagend in ihren schlimmsten Träumen verfolgten; ein Anblick, der den
abgebrühtesten Profi erschüttert hätte. Sie hatte sich vorgenommen das Schwein
zu fassen, dass ihr das angetan
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