Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Blick eines
Augenpaares festzuhalten, das sie nicht sehen konnte. Ihre Finger spielten
nervös mit den Verschlüssen ihrer Handtasche, die sie nun mit beiden Händen
festhielt. »Warum haben Sie mich dann herbestellt?«
    Â»Das weißt du«, antwortete er.
    Conny machte einen Schritt auf ihn zu und blieb wieder stehen.
»Wollen Sie es zu Ende bringen?«, fragte sie. »Ich verstehe. Es hat nicht
funktioniert. Ich lebe noch, und ich sitze nicht einmal im Gefängnis.«
    Vlad schüttelte sanft den Kopf. Er rührte sich nicht, auch nicht,
als sie einen weiteren Schritt auf ihn zumachte und wieder stehen blieb. »Warum
sagst du das?« Er klang nicht verletzt oder zornig, sondern einfach nur
erstaunt. »Du weißt so gut wie ich, dass es nicht die Wahrheit ist. Und du
weißt auch, warum ich dich hierher bestellt habe. Es wird Zeit.«
    Â»Zeit, wofür?«, wollte Conny wissen. Ihre Finger spielten immer
nervöser mit der Handtasche. Sie klappte sie auf, wieder zu und wieder auf. Sie
begann am ganzen Leib zu zittern.
    Â»Um Abschied zu nehmen«, antwortete Vlad. Er klang nun doch ganz
leicht verstimmt, aber auf eine Art, die sie nicht verstand. »Und um dir zu
danken.«
    Â»Mir danken?«, ächzte sie. »Wofür? Dass Sie sich so wundervoll
amüsiert haben, auf meine Kosten? Dass sie mich belogen haben?«
    Â»Ich habe nichts von alledem getan, Conny«, belehrte er sie sanft.
»Wir hatten eine Abmachung, hast du das wirklich vergessen?«
    Â»Nein«, antwortete Conny. Ihre Stimme zitterte. »Wie könnte ich? Sie
haben mir den Vampir gebracht und mir dafür mein Leben genommen.«
    Vlad klang traurig, als er fortfuhr: »Ich habe nichts genommen, was
du mir nicht freiwillig gegeben hättest, Conny. Das kann ich gar nicht. Selbst
ich muss mich an Regeln halten.«
    Â»Sie haben mich belogen.« Sie hatte die Worte schreien wollen, aber
sie kamen nur als ein Flüstern über ihre Lippen. »Sie haben gesagt, ich müsste
freiwillig zu Ihnen kommen. Das habe ich nie getan.«
    Â»Oh doch«, erwiderte Vlad. »Du warst es, die mich gerufen hat.«
    Â»Und Sie haben mir den einzigen Menschen genommen, der mir etwas
bedeutet hat.« Ihre Hand glitt in die Tasche und kam mit der Pistole wieder zum
Vorschein, die sie entsichert hatte, noch bevor sie ihre Wohnung verlassen
hatte. »Haben Sie ihn getötet?«
    Vlad legte den Kopf schräg und betrachtete die Waffe mit einer Art
von kühlem, wissenschaftlichem Interesse; als versuche er zu ergründen, worum
es sich dabei überhaupt handelte. »Du weißt, dass mich diese Waffe nicht
verletzen kann. So wenig wie dich.«
    Â»Haben Sie ihn getötet?«, fragte Conny noch einmal.
    Â»Wen?«, fragte er lächelnd, trat einen einzelnen, langsamen Schritt
auf sie zu und wurde zu Trausch.
    Es war keine Illusion. Keiner seiner üblichen Tricks, mit denen er
sie und die ganze Welt zu narren vermochte. Er war Trausch. Er war es immer
gewesen.
    Â»Du bist freiwillig zu mir gekommen, Conny«, sagte er, während er
langsam die Hand hob und ihren Arm mit der Waffe herunterdrückte. »Du hast
deinen Teil der Vereinbarung eingehalten, so wie ich meinen.«
    Â»Aber Sie … du …« Ihre Stimme versagte. Ihre Gedanken versagten. Alles erstarrte.
    Â»Du kennst die Antwort auf alle deine Fragen«, sagte er sanft. »Du
kanntest sie schon immer, schon bevor du sie überhaupt gestellt hast.« Er
sprach jetzt mit Trauschs Stimme, und es waren seine Augen, mit denen er sie
ansah. Er lächelte warm, und für einen Moment musste sie gegen einen Sturm von
Gefühlen ankämpfen, die nicht sein durften. Und Schmerz. Einen entsetzlichen,
so unbeschreiblich grausamen Schmerz.
    Â»Aber wieso …«, stammelte sie. »Was …?«
    Â»Oh, das?« Trausch – Vlad! – lächelte milde und führte die Hand an
die Kehle, in der plötzlich ein zweiter, blutiger Mund grinste, wenn auch nicht
lange genug, um sie wirklich zu erschrecken. Vielleicht war in ihr auch einfach
kein Platz mehr für weiteren Schmerz. »Es war der einfachste Weg. Es tut mir
leid, wenn ich dir damit Schmerzen bereitet habe, aber es musste sein.«
    Â»Aber warum?«, hörte sie sich mit einer Stimme wie der einer Fremden
fragen. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, diese Frage überhaupt gestellt
zu haben.
    Â»Weil es Zeit wird, weiterzuziehen«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher