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Ungezaehmtes Verlangen

Ungezaehmtes Verlangen

Titel: Ungezaehmtes Verlangen
Autoren: Pamela Palmer
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behutsam in den Armen hielt. Seine Miene blieb verschlossen, doch er wirkte nicht mehr so kühl und bedrohlich wie vorhin. Dass er ein kleines bisschen freundlicher aussah, änderte jedoch nichts daran, dass sie ihm gegenüber äußerst wachsam blieb. Allerdings galt ihre ganze Sorge jetzt ihrer Mutter.
    Kara ging zum Wohnzimmer und bedeutete dem Fremden mit dem Winken einer Lampe, ihr zu folgen. »Bring sie zum Sofa.« Sie legte eine Lampe auf den Kaffeetisch und ging mit der anderen zu dem Wäscheschrank im Untergeschoss, um ein paar Decken zu holen.
    Dann eilte sie zurück und bedeckte ihre durchnässte, vor Kälte zitternde Mutter von oben bis unten mit einer Decke, danach nahm sie ein Handtuch, sank neben dem Sofa auf die Knie und tupfte das Gesicht ihrer Mutter damit ab. Sie versuchte den Fremden, der wie ein grimmiger Sensenmann hinter ihr aufragte, nicht weiter zu beachten.
    »Du bist kein Mensch, Kara«, sagte er. »Du bist Therianerin und als unsere Auserwählte gekennzeichnet.«
    Seine Worte hallten in ihr wie die falschen Töne in einem Lied wider. Dieser Mann war ohne jeden Zweifel verrückt, aber solange er sie in Ruhe ließ und sie sich um ihre Mutter kümmern konnte, sollte er diese merkwürdige Leier ruhig so oft wiederholen, wie er wollte.
    »Du glaubst, dass du hierhergehörst«, fuhr der Mann mit einer tiefen, angenehmen Brummstimme fort, die in einem so merkwürdigen Gegensatz zu seinen absurden Worten stand. »Aber das stimmt nicht.«
    Die Lider ihrer Mutter flatterten, sie sah den Fremden an, und aus ihren schmerzerfüllten Augen sprach Erleichterung.
    »Hör auf«, zischte Kara und wandte sich von ihm ab. »Was ist bloß mit dir los?«
    »Du musst die Wahrheit erfahren.«
    Kara kehrte ihm den Rücken zu, doch er trat neben sie. »Sag es ihr.«
    »Was soll ich ihr sagen?« Doch als Kara den Blick zu ihm hob, stellte sie fest, dass er nicht sie, sondern ihre Mutter ansah.
    »Sie verdient es, endlich die Wahrheit zu erfahren«, erklärte er.
    Kara stand auf. Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an, aber ihre Wut war stärker als ihre Furcht. Sie starrte ihm in die Augen. »Lass sie gefälligst in Ruhe! Deinetwegen hat sie heute Nacht schon genug gelitten.« Trotz ihrer Wut erschien es ihr irgendwie ganz natürlich, ihn ebenfalls mit du anzusprechen.
    Ein Anflug von Bedauern wärmte den Blick seiner bernsteinfarbenen Augen. »Es tut mir leid, aber ihre Zeit auf dieser Welt ist beinahe vorüber. Deine hat gerade erst begonnen. Und du musst die Wahrheit erfahren.«
    »Welche Wahrheit ?«
    »Dass du nicht ihre Tochter bist.«
    »Natürlich bin ich ihre Tochter.« Doch als sie sich auf der Suche nach Bestätigung zu ihrer Mutter umdrehte, bemerkte sie Tränen in den Augen der alten Frau. Und ihr Blick wirkte irgendwie … schuldbewusst.
    Neben dem Sofa sank Kara auf die Knie und ergriff die eisige Hand ihrer Mutter. »Ich bin doch deine Tochter. Natürlich bin ich das.«
    Tränen flossen über die kreidebleichen Wangen ihrer Mutter; ihr Körper hatte aufgehört zu zittern. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf … und nur ein einziges Wort kam über ihre Lippen.
    »Nein.«
    »Mom? Was sagst du da?« Eine Kälte, die nichts mit dem Wetter und der Nässe auf ihrer Haut zu tun hatte, trieb ihr eine Gänsehaut über die Arme. Das stimmte doch nicht. Es konnte einfach nicht stimmen.
    Aber plötzlich begriff sie. Kara wandte ihren wütenden Blick dem Fremden zu. »Du hast das getan. Du manipulierst sie, genauso wie du mich auch schon manipuliert hast.«
    Er schüttelte den Kopf. Die nassen Locken strichen über seine Schultern. »Du irrst dich. Ich habe nur den Fehler begangen, dich schon mitzunehmen, als sie dich noch gebraucht hat.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    Sein Blick fiel auf das Sofa hinter ihr – und aus seinen Augen sprach Erschrecken. »Strahlende. Kara . Sie ist tot. Es tut mir leid.«
    Bei seinen Worten zuckte Kara zusammen und wandte sich zu ihrer Mutter um, die unbeweglich dalag …
    »Mom?«
    Verzweifelt umfasste sie das dürre Handgelenk ihrer Mutter und suchte den Puls, doch sie fand keinen. »Mom?«
    Es war vorbei. Einfach so. Sie war tot.
    »Nein, Mom, nein.« Die Tränen schnürten ihr den Hals zu, und sie würgte, während sie erneut neben dem Sofa auf die Knie sank und die kühle Haut auf den papierenen Wangen berührte. »Bitte, geh nicht. Verlass mich nicht.« Vor Kummer schluchzte sie; dann ließ sie den Kopf auf die früher so starke Brust sinken, an der sie über die Jahre hinweg
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