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Ungezaehmtes Verlangen

Ungezaehmtes Verlangen

Titel: Ungezaehmtes Verlangen
Autoren: Pamela Palmer
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vor Unglauben und Schock.
    Sie konnte nicht mehr denken. Sie weigerte sich, über das nachzudenken, was sie soeben erlebt hatte. Über alles, was gerade geschehen war. Die Welt schien vollkommen aus den Fugen geraten zu sein.
    Und es war kalt. So entsetzlich kalt.
    Ihre Mom war tot.
    »Strahlende.« Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie sich der hünenhafte Fremde neben ihr auf dem Boden niederließ, sich mit dem Rücken an das Bett lehnte und die Beine von sich streckte. »Zeig mir deine Hand.«
    »Schon gut, mir geht es gut.« Die Worte kamen aus ihrem Mund, ohne dass sie genau wusste, was sie sagte. Sie erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder. Sie klang so kühl.
    Sie fühlte, wie eine warme, schwielige Hand erst über ihre Wange und dann über ihren Kiefer strich und ein langer Finger unter ihr Ohr glitt, genau wie vorhin, kurz bevor sie das Bewusstsein verloren hatte.
    »Tu es«, flüsterte sie. »Schalt mich aus.«
    »Du willst flüchten.«
    »Ich kann … das nicht.« Tränen brannten in ihren Augen und liefen über ihre Wangen hinab. Der Schmerz in ihrer Hand war beinahe so stark wie der in ihrer Brust, doch der Kummer wirkte noch wesentlich schlimmer, denn er ging viel tiefer. »Es tut so weh.«
    Heftig stieß der Mann die Luft aus. »Wenn ich dafür sorge, dass du bewusstlos wirst, verschwindet der Schmerz nicht.« Langsam zog er die Hand zurück. »Ich kann ihn dir nicht ganz nehmen, aber ich kann dir helfen. Das wenigstens bin ich dir schuldig.«
    Er strich mit der Hand über ihre Haare und umfasste ihren Nacken. Doch statt dass der Schmerz nachließ, empfand sie das Unglück noch hundertmal stärker als zuvor.
    »Oh Gott! Oh Gott!«
    »Ruhig, kleine Strahlende. Ich musste deinen Widerstand brechen, um an deine wahren Gefühle zu kommen. Gib mir eine Minute.«
    Der Kummer strömte wie ein Gift durch ihren Körper, ließ ihre Muskeln verkrampfen, als würde sie in der Mitte durchbrechen. »Ich kann das nicht. Ich kann nicht …«
    Ganz plötzlich ließ der Schmerz nach, und sie vermochte doch wieder durchzuatmen. Kurz darauf wurde auch ihr Kummer schwächer, als hätte sie bereits Wochen oder Monate und nicht erst Minuten damit gelebt. Er war weniger intensiv, weniger schneidend. In ihrem Kopf legten sich die Angst und Verwirrung. Nur ihre Hand schmerzte nach wie vor.
    Kara hob den Blick zu ihm und sah in seine rätselhaften Augen, die in einem warmen Gelbton schimmerten. »Wie machst du das? Bist du so eine Art … Heiler?«
    »Es ist nur eine … Fertigkeit.«
    Sie starrte ihn an, sah ihm in die Augen, musterte seine harten Gesichtszüge. Er war unbestreitbar faszinierend. Seine Miene wirkte weiterhin kühl, vielleicht sogar wachsam, aber der Blick seiner Augen schien doch ein wenig aufgetaut zu sein.
    »Wie heißt du?«
    »Lyon.«
    »Ist das dein Vor- oder dein Nachname?«
    »Laut Führerschein ist es mein Nachname. Aber nur Menschen nennen sich mit dem Vornamen.«
    Hastig wandte sie den Blick ab, als es sie kalt überlief. Doch eine nach der anderen verebbten die Wogen, und dies nur durch die Berührung des Mannes. Nur Menschen . Das klang, als wäre er selbst keiner, kein Mensch …
    Schlagartig wurde ihr klar, dass er auch tatsächlich keiner war. Eine Erkenntnis, die ihr den Atem raubte. Er besaß diese merkwürdigen Fähigkeiten …
    Sie senkte den Kopf und drückte die Stirn auf ihre hochgezogenen Knie. »Ich ertrage das alles nicht.«
    Auf eine seltsam zärtliche Weise strich er mit dem Daumen ihren Nacken hinunter und wieder hinauf. »Du kannst es ertragen. Jede Frau, die den Mut und die Geistesgegenwart aufbringt, einen Drader umzubringen, wenn sie das erste Mal einem begegnet, kann auch ein Bröckchen von der Wahrheit ertragen.«
    Kara lachte, doch es klang eher hysterisch als belustigt. »Ein Bröckchen?« Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Du bist doch nicht verrückt, oder? Dieses ganze Gerede über andere Wesen … ist wahr.«
    »Ja.«
    »Du bist kein Mensch.«
    »Nein. Und du auch nicht.«
    Irgendwie hatte sie das gewusst. Sie hatte schon immer gespürt, dass sie nicht normal war. Ihre Schrammen heilten viel zu schnell, und sie war niemals krank. Sie hatte in all den siebenundzwanzig Jahren noch nicht ein einziges Mal Fieber gehabt. Hatte die Mutter deshalb die Ärzte niemals in ihre Nähe gelassen?
    Hatte sie es denn gewusst?
    »Was sind wir? Außerirdische?«
    Der Mann lächelte; es war zwar ein etwas gequältes, dabei aber überaus charmantes Lächeln, das nur einen winzigen
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