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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Flasche mit hochprozentigem Alkohol. Chirurgische Instrumente in ein Lederfutteral eingerollt. Lara stellte alles nebeneinander auf den Boden und unterdrückte die Bilder, die sich zu den Werkzeugen gesellen wollten. Der Autoschlüssel war in einer Außentasche. Noch immer schniefend, begann sie, den Ford zu durchsuchen.

    Als sie ihre Handtasche im Kofferraum unter einer Plane entdeckte, rollten die Tränen ungehemmt.
    Lara schüttete den Inhalt auf den Boden, langte mit der Rechten nach den Taschentüchern und mit der Linken nach ihrem Handy. Ihre Hände hatten inzwischen Schüttelfrost, und doch gelang es ihr nach mehreren vergeblichen Anläufen, das Telefon anzuschalten, die PIN einzugeben und zu wählen.
    Als sie Marks Stimme hörte, bekam Lara einen Weinkrampf.
    Im Wald begann der Froschmann zu stöhnen.

Epilog
    »Das werden wir vor Gericht alles noch einmal detailliert aussagen müssen.« Mark nickte Jo zu und stellte sein halbvolles Bier auf den Tisch. Ende September war es schon fast zu kühl, um draußen zu sitzen, aber beide Männer hatten die frische Luft dem stickigen Innern des Gartenlokals vorgezogen.
    »Es wird allerdings mindestens noch zwei, drei Monate bis zur Verhandlung dauern. So schnell mahlen die Mühlen der Justiz in Deutschland nicht.«
    »Dann haben wir Weihnachten.« Jo wischte mit dem Daumen über die kleinen Wassertröpfchen an der Außenseite seines Glases. »Wann beginnt deine Tagung morgen?«
    »Um zehn. Viele Kollegen reisen erst morgen früh an. Wir können noch ein Bierchen trinken.«
    Seit der Jagd auf den Serienmörder und den anschließenden Ereignissen hatten die beiden Männer fast so etwas wie Freundschaft geschlossen. Die gemeinsamen Erlebnisse verbanden. Mit einem Quietschen schwang die Tür der Kneipe auf, und der Kellner kam mit einem Tablett herausmarschiert. Ungefragt stellte er zwei neue Biere vor die Männer hin.
    »Es gibt auch noch einiges zu ermitteln, bevor Anklage erhoben werden kann. Außer den Körperteilen in seinem Kühlschrank hat die Kripo im Haus von diesem Mühlmann noch eine Vielzahl weiterer abscheulicher Dinge gefunden.« Mark dachte an die ausgestopften Tiere, an die aus Teilen von Katzen und Hunden zusammengestückelten Objekte, die der Psychopath in seinem Versteck, dem Tresorraum im Keller,
aufbewahrt hatte. Schmuckstücke der Opfer, ihre Papiere, Taschen und Kleidungsstücke waren gefunden worden. Auch Laras Armbanduhr und die schmale Goldkette, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte, waren dabei gewesen. Mark lauschte dem feinen Wispern der Bäume. Die Kastanie am Eingang wurde schon gelb.
    »Ich will das alles eigentlich gar nicht wissen.« Jo schaute zum Gartenzaun hinüber. Stockrosen wiegten ihre zerknitterten Blüten im Abendrot.
    »Du hast recht.« Auch Mark betrachtete die Blüten. Ihr brüchiges Rosa erinnerte ihn irgendwie an Lara.
    »Ist der Typ eigentlich gesundheitlich wieder auf dem Damm?«
    »Er ist nicht mehr im Haftkrankenhaus, sondern in Untersuchungshaft. Daher gehe ich davon aus, dass seine Wunden inzwischen verheilt sind.« Das Einsatzkommando hatte das Waldstück stundenlang durchkämmt, bis sie den Mann im schwarzen Latexanzug endlich fanden. Martin Mühlmann war nicht weit gekommen. Er hatte ein paar hundert Meter bis in eine Schonung kriechen können, wo ihn der Blutverlust und die Schmerzen erneut ohnmächtig werden ließen. Danach hatte er fast anderthalb Monate – strengstens bewacht – im Haftkrankenhaus zugebracht.
    »Hoffentlich wird das Schwein nicht für unzurechnungsfähig erklärt.« Jos Gedanken kehrten wie ein sich permanent drehendes Mühlrad immer wieder zu den Geschehnissen zurück.
    »Ich hoffe nicht. Aus meiner Sicht ist er voll schuldfähig. Aber das müssen wir abwarten. Man wird ihn vor dem Prozess begutachten. Ich bin leider befangen, wie es so schön heißt.« Mark nahm einen Schluck Bier. Es schmeckte nicht.
    »Ich verstehe nicht, wie jemand zu so einem menschlichen
Ungeheuer werden kann.« Jo wandte seinen Blick von den Stockrosen ab.
    »Für ein solches Verhalten gibt es fast immer anlagebedingte Faktoren. Entscheidend aber ist die Persönlichkeitsentwicklung in den ersten, den prägenden Lebensjahren, zwischen Geburt und Beginn der Pubertät. Nach dem, was ich bisher über Martin Mühlmann erfahren habe, sind etliche Faktoren zusammengekommen. Misshandlungen seit frühester Kindheit, drastische Strafen, Liebesentzug, eine dominante Mutter, der fehlende Vater. Mühlmanns frühe Kindheit
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