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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition)
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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Laszlo Dvorach
    streifte seinen Talisman
    vom Hals und warf ihn mit einem eleganten Schwung auf das dicke Buch. In immer kleiner werdenden Kreisen rollte das Schmetterlingsamulett über den Buchdeckel, bis es in der Mitte des braunen Ledereinbands in eine Vertiefung fiel. Das Buch begann von innen zu leuchten! Der Weißmagier lächelte, als er es aufschlug und den Namen des Kindes unter die lange Reihe seiner Vorfahren schrieb: Yasha Dvorach, sein Sohn. Die Dvorachs sind eine sehr alte und angesehene ungarische Zaubererfamilie. Der kleine Yasha schien das außergewöhnliche Talent seines berühmten Großvaters zu besitzen. Laszlo platzte fast vor Stolz, als er sich den Moment des Magierwettbewerbs in Erinnerung rief, in dem sein kleiner Sohn alle Anwesenden in Erstaunen versetzt hatte, und das ausgerechnet auf Kosten Olav Zürbans. Der Großmeister der dunklen Magie war, begleitet von einem Schwarm seiner schwarzen Schmetterlinge, erschienen. Jeder wusste, dass die flatternden Spione überall herumschnüffelten und ihrem Meister jedes noch so kleine Ereignis zutrugen. Natürlich benutzte Olav Zürban diese Informationen, um zu manipulieren und Ärger zu machen, wo immer er konnte. Laszlo Dvorach stand mit Yasha auf dem Arm am Rande des Turnierplatzes und beobachtete das Duell zweier älterer Magiere. Er freute sich über seinen kleinen Sohn, der an allem interessiert war, was um ihn herum vorging.
    Olav Zürban drängte sich durch die Reihen der Zuschauer und blieb zu Laszlos Verdruss genau neben ihnen stehen. Der Weißmagier schauderte, als Olav Zürban ihn mit seinen stechenden Augen fixierte. Das eine Auge war braun, das andere blau. »Der zweifarbige Blick«, schoss es Laszlo Dvorach durch den Kopf. »Eigentlich ist der zweifarbige Blick ein Zeichen für eine ganz besondere Persönlichkeit. Im Fall Olav Zürbans liegt die Sache allerdings auf der dunklen Seite des Seins.«
    Plötzlich deutete Yasha
    mit seinen Fingerchen
    auf einen schwarzen Schmetterling und lachte. Laszlo Dvorach runzelte die Stirn. Doch bevor er es verhindern konnte, ließ sich der Schmetterling auf Yashas kleiner Hand nieder. Mit großen Augen schaute das Baby auf das flatternde Etwas und brabbelte fröhlich vor sich hin. Olav Zürban starrte interessiert auf den Jungen. Plötzlich wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Der Talisman von Laszlo Dvorach begann zu leuchten. Der Schein beleuchtete die Hand des Kindes und den schwarzen Schmetterling – silberne Funken sprühten. Der Schmetterling wurde heller und heller, bis er schließlich ganz weiß geworden war und davonflog. Die Umstehenden starrten ungläubig auf Yasha. Wie konnte ein Kleinkind eines von Olav Zürbans schwarzmagischen Wesen entzaubern? Natürlich hatten alle gesehen, dass der Junge Hilfe von Laszlo Dvorachs steinernem Schmetterling bekam, aber trotzdem. Allein dass der Kleine mit einem magischen Talisman in Kontakt treten konnte, war eine schwierige Kunst, für die die meisten Zauberer lange und hart üben mussten.
    Olav Zürban
    war bis ins
    Innerste getroffen. Er war von einem Kleinkind bloßgestellt worden. Die weißmagischen Kräfte des Bengels schienen den seinen ebenbürtig zu sein, es war kaum zu glauben. Herrisch rief er seine schwarzen Schmetterlinge zusammen und verließ fluchtartig den Magierwettbewerb. Die dunkle Seherin saß auf einer Baumwurzel neben der kalten Quelle der Zeit und sah ihren Bruder aufmerksam an: »Olav, ärgere dich nicht! Der Dvorach-Junge ist die Lösung für dein Problem. Du hast schon so lange nach einem Nachfolger gesucht! Der Junge hat Talent. Wenn du seine weißmagische Seele vernichtest und sie mit deinen dunklen Kräften füllst, gehört er dir. Noch ist er klein. Es wird leicht sein, Macht über ihn zu bekommen. Hol ihn dir, und zwar schnell!« Trotzig bemühte sich der Schwarzmagier ein ausdrucksloses Gesicht zu machen. Als jüngerer Bruder fühlte er sich in Gesellschaft seiner Schwester oft wie ein dummer Junge. Sie war die Einzige, die ihn immer durchschaute und keine Angst vor ihm hatte – ein Zustand, den die dunkle Seherin gnadenlos ausnutzte. Seit er denken konnte, fürchtete Olav Zürban ihre spöttische Art. Darum ging er seiner Schwester auch meist aus dem Wege. Aber in Fällen wie diesem, wenn er selber keinen Rat mehr wusste, war sie die Einzige, an die er sich wenden konnte. Und wie immer hatte sie Recht! Die Demütigung, die Yasha ihm auf dem Turnierplatz zugeführt hatte, war nicht von Bedeutung. Es kam einzig und allein
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