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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Innern dieses Schuppens zu erkennen, aber außer dem Traktor und einigen Strohballen im hinteren Teil schien die Scheune leer zu sein. Der Typ hatte gesagt, er habe den Artikel abgeschickt. Jetzt musste er bis zum nächsten Morgen warten, um zu sehen, ob er auch erschien. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Leute aus der Technik den erneuten Versuch sofort bemerkten und dies mit ihrem Verschwinden in Verbindung bringen würden. Das löste allerdings nicht das Problem, dass keiner – nicht
einmal sie selbst – wusste, wo sie sich derzeit befand. Auch wenn man Lara Birkenfeld suchte, finden würde sie wahrscheinlich so schnell niemand.
    »Hast du Durst?« Mit einer großen Plastikflasche in der Rechten kehrte er zu ihr zurück.
    »Dein Geschäft hast du ja schon erledigt, wie man riecht. Konntest wohl nicht warten, bis ich wieder da war?«
    Lara unterdrückte das Schamgefühl, indem sie im Geiste ihre Litanei wiederholte: dass er ihr keine andere Wahl gelassen hatte, dass sie nichts dafür konnte, dass man Sachen wegwerfen und den Körper waschen konnte. Die feuchte Jeans und der Uringeruch waren ihr geringstes Problem. Vorsichtig presste sie den Ellenbogen auf den Griff des Metallstabes.
    »Ob du Durst hast?« Er klang ärgerlich, und Lara bemühte sich zu nicken. Der Irre hatte irgendetwas mit ihr vor. Wenn sie nur wüsste was.
    Der Verschluss knackte beim Drehen. En Zeichen, dass die Flasche noch originalverschlossen gewesen war. Er stand jetzt direkt vor ihr, und Lara konnte sein Parfüm riechen – Kardamom und etwas Zitronengras.
    »Dann trink jetzt.« Er hielt ihr die Öffnung an die Lippen und neigte die Flasche behutsam. Eiskaltes Wasser floss in Laras Mund und nahm ihr die Luft, bevor sie schluckte und schluckte, das Prickeln genoss, spürte, wie ihr ganzer ausgetrockneter Körper sich entspannte.
    Dann war es vorbei. Ihr Peiniger schraubte die Flasche wieder zu und stellte sie ab.
    »Sehr schön. Geht es dir jetzt besser?«
    »Danke.« Es klang gepresst. Lara holte tief Luft. »Lassen Sie mich jetzt frei? Bitte! Oder wollen Sie Geld?« Sie hasste sich für den weinerlichen Tonfall in ihrer Stimme.
    »Geld?« Er lachte. »Das brauche ich nicht. Nein, ich möchte
ein Spiel spielen. Der Gewinner bekommt einen fairen Preis. Bei dir ist es die Freiheit. Bei mir –«, ein erneutes glucksendes Lachen, » – ach, das verrate ich dir noch nicht.« In der folgenden Pause atmete er tief ein und berührte dabei wie unabsichtlich seinen Schritt. Lara unterdrückte die aufkommende Übelkeit und sah zur Seite.
    »Es heißt Räuber und Gendarm, du kennst es sicher. Und ich muss dir bestimmt auch nicht erst erklären, wie die Rollen verteilt sind.«
    Lara schwieg, presste eisern die Zähne zusammen. Der Wahnsinnige referierte weiter.
    »Du bist das Wild. Es gibt keine Regeln. Wenn du mir entkommst, bist du frei.« Er richtete den Strahl der Taschenlampe direkt in ihr Gesicht. »Oh – du bist wütend! Das ist gut.« Seine Hand tätschelte ihre Wange, und Lara hätte ihn am liebsten angespuckt. »Wer wütend ist, gibt sich mehr Mühe.« Wieder glitt sein Unterarm wie eine Schlange zum Reißverschluss der Hose. Er keuchte jetzt verhalten. »Im Wald binde ich dich dann los. Du musst ein bisschen Geduld haben, sicher sind deine Beine vom langen Sitzen eingeschlafen. Deshalb gebe ich dir etwas Zeit, und zwar exakt fünf Minuten. Dann kannst du dich auf den Weg machen. Wie findest du das? Mich entzückt es. Es ist mein Lieblingsspiel. Gib dir also richtig Mühe. Es hängt viel davon ab.«
    Lara lockerte ihre Kiefermuskulatur.
    »Hast du alles verstanden?«
    Jetzt nickte sie. Lara hatte sehr gut verstanden. Das Schwein hatte gesagt, er würde sie losbinden. Das war ihre Chance. Sie würde sich nicht kampflos ergeben.
    »Fein. Dann machen wir uns jetzt auf die Socken. Ich fahre dich, bis wir an Ort und Stelle sind.« Er trat hinter den Rollstuhl und begann, sie in die Nacht hinauszuschieben.

36
    Von ferne drang Hundegebell herüber. En anderer Hund fiel ein. Die Querlatten der Bank drückten in seinem Rücken, aber Mark bemerkte nichts davon.
    Er betrachtete den blauen Bildschirm, auf dem ein Fenster ihn zur nochmaligen Eingabe des korrekten Passwortes aufforderte, und sah sich dann um. Die Bushaltestelle lag im Halbdunkel. Eine schwache Windbö ließ zerknülltes Papier flattern und trieb den kleinen Ball dann über die Straße.
    Er hatte sein Auto nicht benutzen können, weil es vor dem Haus des Psychopathen stand,
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