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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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wegen eines Kredits... Sie wollte aussteigen und ein Restaurant eröffnen.»
    Ich fragte mich, warum wir das nicht selber herausgefunden hatten, Yaiza Teetzmann» Volker Vogeley und ich. Der Großinquisitor und sein Team schienen andere und bessere Zugangsmöglichkeiten zu Informationen wie dieser zu haben. Geldscheine wahrscheinlich.
    «Das Restaurant ist ja dann auch eröffnet worden, Herr Viebak... Mit Ihrer selbstlosen Hilfe... Aber es geht da das Gerücht, daß man in dieser Küche in Bouletten und Klopsen das Fleisch totgefahrener Katzen und Hunde verwendet hat...» Der Großinquisitor holte eine Boulette aus seinem Gewand, riß die Klarsichtfolie herunter und hielt sie Viebak hin. «Wollen Sie mal...»
    «Gerne...» Sven Viebak biß hinein, um die braune, breiige Masse sofort wieder in hohem Bogen auszuspucken.
    Endlich johlte das Publikum.
    «Da haben Sie was reingetan!» schrie Sven Viebak.
    «Ich nicht, Sie!»
    Der Großinquisitor starrte auf den Zeiger, doch der wollte sich nicht weiter abwärts neigen, blieb förmlich an der 15 kleben. Sein Blick ging schon hilfesuchend zu mir herüber, doch dann wollte er es noch einmal aus eigener Kraft versuchen.
    «Waren Sie eigentlich zur Beerdigung?»
    Sven Viebak guckte irritiert. «Zu welcher Beerdigung denn?»
    «Na, der von Luise Tschupsch natürlich.»
    «Wieso sollte ich da hin?»
    «Um allen zu zeigen, daß Sie sie nicht erschossen haben. Viehisch sozusagen, Herr Viebak...»
    «Ich war es nicht. Der Untersuchungsrichter hat mich wieder nach Hause geschickt.»
    «Aber nur aus Mangel an Beweisen», lachte der Großinquisitor und tönte weiter im Werbespot-Sound. «Und der Richter hatte nicht diesen genial konstruierten Apparat zur Verfügung, an den Sie heute angeschlossen sind, unser Psycho-Elektronengehirn, das ja auch ein Lügendetektor ist, ein absolut unbestechlicher... ENTER-EINS-Elektrischer Stuhl – das ist wie das Jüngste Gericht!»
    Der Zeiger über Sven Viebaks Kopf zuckte auf die 39, doch der Großinquisitor stellte beim Blättern in seinen Materialien fest, daß er sein Pulver damit schon verschossen hatte. Das war der Moment, mich heranzuwinken.
    Ich sprang auf und schwang mich auf die Bühne, in diesem Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes ‹außer mir›, hatte die Kontrolle über mein Handeln verloren. Ich flog dahin wie eine Rakete, bei der jeder Funkkontakt zur Erde unterbrochen war.
    Der Großinquisitor legte den freien Arm um mich. «Ich habe hier einen Ersten Hauptkommissar der Berliner beziehungsweise der Oranienburger Kriminalpolizei im Studio, der unserm Kandidaten ganz gerne noch mal auf den Zahn fühlen möchte... Ein Mordverdacht... Die Herren kennen sich...»
    Das dem so war, bewies der Zeiger, der sich sofort hinauf zur 45 bewegte, als Sven Viebak mich erkannte.
    Die Kamera fuhr auf mich zu, jemand hielt mir ein grellgelbes Mikrofon vor den Mund. Ich winkte ab. «Das geht nicht, das ist völlig unmöglich, ihn an dieser Stelle zu verhören. Da sind x Gesetze und Vorschriften davor, gegen die ich nicht verstoßen will und darf.»
    Das Publikum buhte und erregte sich.
    «Foltern!» schrie einer aus den hinteren Reihen.
    Ein anderer übertönte ihn noch. «Gleich lynchen!»
    Die Regie nutzte den Augenblick für den nächsten Werbeblock.
    Ich hatte das Gefühl, im Koma zu liegen, zumindest an Autismus zu leiden. Ich verstand nichts mehr von dem, was um mich herum passierte. Warum schrien diese Idioten da unten so schrecklich? Was wollte dieser Mann in der komischen Verkleidung von mir? Ich befand mich inmitten einer stabilen Seifenblase und schwebte langsam nach oben.
    Nach der Werbung hatte der Großinquisitor alles wieder im Griff. Er baute sich neben Viebak auf. «Ich kann Ihnen auch selber sagen, was gewesen ist...» Und nun rekonstruierte er die Tat und trug dabei Heikes Thesen vom neurotischen Nesthocker vor. «So war es, mein Lieber: Das Muttersöhnchen Sven kann anders nicht von seiner Mutter loskommen, es muß Luise Tschupsch stellvertretend töten!»
    Die Studiogäste trampelten und johlten.
    «Gleich Starkstrom einschalten!» schrien mehrere.
    «Mörder, Mörder, Mörder!» skandierten andere.
    Sven Viebak hatte mit gesenktem Kopf dagesessen, und der Zeiger war auf die 56 vorgerückt. Nur noch eine Fingerbreite trennte ihn vom Anschlag, von jenem Kontakt, der das AUS bedeutete.
    Der Großinquisitor rang die gefalteten Hände. «Gott, Sven Viebak, machen Sie doch Ihrer Qual ein Ende, und gestehen Sie die Tat!»
    57,
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