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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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sondern alles andere auch. Da war sogar Koppatz einer Meinung mit mir, wenn er auch ansonsten alles tat, um Schwermer aus der Schußlinie zu nehmen. Weisung von oben. Nur keinen Investor vergraulen. Wie der König von Kreta den Minotaurus mit jungen Athenern gefüttert hatte, um ihn bei Laune zu halten, so waren sie in den neuen Bundesländern bereit, den Investoren alles zum Fräße vorzuwerfen. Woerzke und die Tschupsch waren ein guter Preis für ein paar hundert Arbeitsplätze. Wenn die Opfer Opfer brachten, schmerzte es die anderen am wenigsten.
    «Ich stehe zu meiner Zusage», rief Schwermer, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte. «Wir werden bis 1998 mindesten 20 Millionen Mark investieren und garantieren Ihnen allen, die Sie hier versammelt sind, Ihren Arbeitsplatz bei vollen westlichen Löhnen.»
    Es wurde ein Wahnsinnsbeifall. Schwermer mußte sich wie ein Messias Vorkommen.
    «... und dieselbe Summe wenden wir noch einmal auf, um eine neue Firma zu errichten, hier auf dem alten Woerzke-Gelände, ein Unternehmen, das wir hier in Brandenburg wie anderswo ganz dringend brauchen: die ‹F. F. Runge-Bodensanierung›.»
    Damit hatte er auch die Presse und die Linken ganz auf seiner Seite. Er war schon durch und durch ein Könner.
    Und wie sollten wir, wie sollte ich den Leuten klarmachen, daß das Ganze nichts weiter war als eine grandiose Geldwäsche eines Mafia-Clans, der Caccia-Familie höchstwahrscheinlich. Aber wer sollte das denn eigentlich tun außer mir und einigen wenigen, die genauso blöd und weltfremd waren wie ich. Wenn das an sich ja gute System nur noch durch Verbrechen zu retten war, dann mußte man diese Verbrechen eben billigend hinnehmen, wenn nicht gar fördern. Das war die ganz besondere Ethik dieser Tage, ich wußte es und spürte auch genau, wie anachronistisch ich war.
    In diesem Augenblick hatte Schwermer mich entdeckt.

48. Szene
Mordkommission
    An diesem frühen Nachmittag war an geregeltes Arbeiten kaum mehr zu denken, denn alle wollten Yaiza Teetzmann zum Geburtstag gratulieren. Koppatz war nicht gerade begeistert davon, nahm es aber hin, weil sie ihm beim letzten Führungskräftelehrgang beigebracht hatten, daß solche ‹Wertschätzungs-Rituale› positive Folgen hätten. Meine Haltung zu solchen Feiern war zwiespältig. Einerseits stand man sich die Beine in den Bauch und bekam Kopfweh vom gnadenlosen small talk-Gedröhne wie vom billigen Sekt, andererseits traf man eine Menge Leute und erfuhr beim Klatsch und Tratsch mehr Dienstliches als bei den meisten offiziellen Sitzungen.
    Das Geburtstagskind bedankte sich bei mir. Ich hatte ihr den Roman «Yaiza» von Alberto Väzques-Figueroa geschenkt. Volker Vogeley meinte, die erste Silbe des zweiten Nachnamens ließe erhoffen, daß unsere Yaiza voll auf ihre Kosten käme. Sein Geschenk bestand aus einem Lied mit dem Titel ‹Heißa, hoch lebe unsere Yaiza!›. Das klang sehr lieb und nett, doch als er zur Gitarre griff, stellte sich heraus, daß es ziemlich giftig war.
     
    Ach, Yaiza, ach, Yaiza,
    Dein Job wird immer scheißa,
    denn die Strukturen,
    die schaffen nicht nur Huren,
    schaffen nicht nur Huren,
    sondern früher oder später
    wird jeder Mensch zum Täter,
    wird jeder Mensch zum Täter.
    Und die Kleinen lassen sie uns fassen,
    in Massen, in immer größren Massen,
    doch die Großen kriegst du nie,
    und wir, wir sind das Alibi.
     
    Volker Vogeley nahm den Beifall dankend entgegen. Koppatz nutzte die Gelegenheit, nicht nur Yaiza Teetzmann alles Gute zu wünschen, sondern auch auf die staatserhaltende Rolle der Polizei einzugehen.
    «Wir müssen alle Kräfte mobilisieren, um das existenzbedrohende Übel der Kriminalität schnell und nachhaltig abzustellen – wenn nötig, mit martialischer Gewalt.»
    Es war erfreulich zu hören, daß mir vielleicht alsbald die Bundeswehr zur Seite stand, wenn es galt, Sven Viebak oder Wolfram Schwermer ein Geständnis zu entlocken.
    Neben Plingpling und Blabla gab es bei Yaiza Teetzmanns Feier auch einiges an Fachgesprächen. Mit dem Kollegen beispielsweise, der Woerzkes Leiche untersucht hatte und als der Fachmann galt, wenn es um die Frage ging: Tod durch Strangulation – Selbstmord oder Mord?
    «Gott, Mannhardt, Sie wissen doch: meist sind Erdrosselte durch fremde Hand getötet worden. Dem Opfer werden bestimmte Medikamente verabreicht, oder es wird betrunken gemacht, dann erfolgt das Überwerfen des Strangwerkzeuges – es ist fast ein Kinderspiel.»
    «Was spricht denn dafür, daß
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