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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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stellvertretend für sie Luise Tschupsch. Er muß es, sonst wird es ihn zerreißen, völlig vernichten. Und er tut es. Er wird es immer wieder tun, wenn der Druck unerträglich geworden ist.
    «Das ist schon überzeugend, was du da...» Ich nahm Heikes Hand.
    Der Großinquisitor verschwand in seiner Garderobe, und auch mich führten sie zum Schminken. Danach wurde ich im Studio so plaziert, daß ich nachher schnell auf die kleine Bühne springen konnte.
    Wir saßen schräg hinter der dritten Kamera. Sven Viebak hatten wir noch nicht zu Gesicht bekommen, auch seine Mutter nicht, die aber ebenfalls hier sein sollte.
    Auf dem Boden neben mir lag ein lindgrüner Ablaufplan, und als ich ihn aufgenommen hatte, las ich, daß Sven Viebak heute abend der zweite war, der auf dem (elektrischen Stuhl» Platz nehmen sollte und wollte.
    In Runde 1 hatte sich der Großinquisitor einen 25jährigen Diplom-Psychologen mit dem schönen Namen Rüben Jungverdorben vorgeknöpft, und obwohl die Hinrichtung laut Zeitplan eben erst begonnen haben konnte, war der Zeiger schon bis zur 16 vorgerückt.
    Der Großinquisitor steckte jetzt in einem mittelalterlichen Scharfrichtergewand, bemühte sich gekonnt um einen erheblichen Sprachfehler, nuschelte nicht nur, sondern konnte zudem das Sch nicht so recht über die etwas sabbernden Lippen bringen, war ein richtiger Kotzbrocken, fett und schmierig, machtgeil und eitel, wunderbar gewählt als Typ.
    Der erste Kandidat wirkte zart und schmächtig, hatte sein Nichts an Gesicht mit Bart und Intellektuellenbrille aufzuwerten versucht, wies aber gerade daraufhin, daß er ein zäher Bursche sei und schon zehn Marathonläufe unter vier Stunden absolviert hätte. Mit der halben Million, wenn er sie denn gewann, wollte er ein eigenes psychologisches Institut eröffnen.
    «Zur Bekämpfung von Hämorrhoiden?» fragte der Großinquisitor.
    «Nein, gegen Legasthenie und Sprachstörungen. Kommen Sie ruhig!»
    Das Publikum schrie auf. Welch Mut, den Mächtigen derart zu reizen.
    Der Großinquisitor schluckte zwar, schaffte es aber, gelassen zu bleiben. «Gut, Herr Jungverdorben, sehr gut sogar. Aber weiter... Sie heißen nicht deshalb Rubens, weil sie schon als Junge immer nackte Mädchen malten...»
    «Nein, weil mein Vater jahrelang in Kolumbien gelebt hat, wo das ein gängiger Vorname ist. Ohne s am Ende...»
    Der Großinquisitor sah auf seinen Spickzettel. «Und Ihr Nachname kommt daher, daß Sie sich als Zwölfjähriger einen kleinen Spiegel vorne auf die Schuhe geklebt haben, um damit in den Kaufhäusern den Frauen unter die Röcke sehen zu können...?»
    Rüben Jungverdorben lachte nur. «Ja, sicher. Pubertäres, das man abhaken kann.»
    «Mit Ihrer verdammten Akne im Gesicht, da haben Sie doch bestimmt nie ’ne Freundin gehabt...? Wer nimmt denn schon so ’n Streuselkuchen!» Der Großinquisitor prustete los, und die über zweihundert Zuschauer im Studio kamen langsam in Fahrt.
    Rüben Jungverdorben konnte nicht verhindern, ein wenig rot zu werden, und der Zeiger über ihm glitt weiter, schon auf die 30 zu. «Ein bißchen schwierig war es schon...»
    «Und als Sie die erste im Bett hatten und sich ausgezogen haben, da ist die schreiend davongelaufen. Weil Sie einen riesigen Kackfleck in Ihrer Unterhose hatten...»
    Treffer! Das Publikum raste, und der Zeiger schnellte auf die Ziffer 46, so sehr sich Rüben Jungverdorben auch mühte, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Die Meßfühler an den Innenseiten seiner Hände und in den Achselhöhlen, die seine Schweißabsonderungen registrierten, waren ebenso unbestechlich wie die Elektroden auf der Brust und an den Schläfen.
    Der Kandidat biß die Zähne zusammen. «Schön, das war die Niederlage meines Lebens, aber ich habe viel gelernt daraus...»
    «Daß es Klopapier gibt, was! Und Seife.»
    «Daß ich Psychologie studieren muß, um...»
    «... sich selber therapieren zu können!» höhnte der Großinquisitor.
    Doch Rüben Jungverdorben hatte sich nun wieder voll im Griff, «...um meine Ich-Identität zu finden. Und heute habe ich eine Freundin, eine Partnerin, eine Lebensgefährtin, die nicht nur ihren Dr. med. gemacht hat, sondern auch mal ‹Miß Berlin› gewesen ist. Da hinten in der letzten Reihe...»
    Die Regie ließ sich die Chance nicht entgehen, und die Kamera fing eine Frau ein, die wirklich faszinierend war.
    Der Großinquisitor hatte das auf seinem Monitor verfolgen können und setzte an zum Schmetterball.
    «Prima, Herr Jungverdorben. Ein
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