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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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Flüchtling zum Elite-Studenten« nicht meine sei, sondern eine weitere Sage aus dem Rheinland – eine verklärte Wahrheit.
    Masoud empfing mich am Gleis mit einer festen Umarmung. Als wir im Auto saßen, sagte er: »Madar ahnt schon was. Sie hat sich sehr gewundert, dass du kommst.«
    »Ja, ich weiß«, antwortete ich. »Sie hatte mich vor einer Woche gebeten, sie zu besuchen. Milad sei auch da und wir könnten wieder alle zusammen ein paar Tage verbringen. Ich habe ihr abgesagt, weil ich eigentlich für die Klausuren lernen muss.« Ich schaute rechts aus dem Fenster und hoffte, Masoud würde mich nicht ausfragen – nicht jetzt. Das, was ich zu sagen hatte, wollte ich allen erzählen.
    Ohne noch ein Wort zu wechseln, erreichten wir Madars kleine Wohnung. Sie hatte sie sich gesucht, nachdem wir drei ausgezogen waren. Wir klingelten und Milad öffnete uns.
    » Salam Dadaschi! «, grüßte ich ihn und wir küssten uns auf die Wange.
    »Endlich sehen wir uns mal wieder«, sagte Milad in einem ruhigen Tonfall. »Sie wartet schon. Lasst uns rein.«
    Madar saß im Wohnzimmer und sprang vom Sofa auf, als sie mich sah. Sie lief mir entgegen, wollte mich küssen, aber dann legte sie ihre Hand auf meine Wange und fragte mit gerunzelter Stirn: »Mojtaba, was ist los? Hast du etwa geweint?«
    Nein, hatte ich nicht. Aber jetzt, wo sie mich fragte, war mir sehr danach. Ich umarmte Madar und drückte mein Gesicht an ihre Schulter. Meine Augen fühlten sich feucht an, doch ich riss mich zusammen, hob den Kopf und bat alle, sich hinzusetzen. Milad und Masoud nahmen auf den beiden Sesseln, Madar und ich auf dem Sofa Platz. Wir vier versammelt um den länglichen Couchtisch – das letzte Mal war schon lange her.
    »Ich möchte mit euch etwas besprechen.« Meine nächsten Worte versuchte ich sorgfältig abzuwägen, aber ich war mir ja selbst noch nicht sicher. »Ich überlege … glaube, dass ich die Uni abbrechen werde.«
    Direkt neben mir ertönte ein ruckartiges Einatmen. Ich hatte den Blick gesenkt. Ich wusste, dass mich alle erwartungsvoll anstarrten. Ich wusste, dass Madars Gesicht voller Unglaube war – und vielleicht auch Entsetzen. Vor allem befürchtete ich, dass ich ihr in die Augen schauen und dabei mein Vorhaben in den Wind schlagen könnte. Ohne aufzublicken redete ich weiter: »Ihr erinnert euch bestimmt noch an das Buch, für das ich interviewt wurde. Es ist vor einigen Tagen erschienen. Und sorgt jetzt für Ärger.«
    »Was ist passiert?«, fragte Madar. Ich wagte es immer noch nicht, sie anzusehen, denn ihre Stimme klang genau so, wie ich mir ihren Gesichtsausdruck vorgestellt hatte.
    »Einiges. Unter anderem war ich heute bei der Uni-Verwaltung. Ich wollte über etwas ganz anderes reden, aber sie kamen schnell auf das Buch zu sprechen. Obwohl ›sprechen‹ hier das falsche Wort ist. Sie wollten nicht mit mir reden, sondern schwafelten etwas davon, dass die WHU doch eine große Familie sei. In einer Familie gehe man auch nicht mit seiner Kritik nach außen. Eine große Familie  … Dann meinte eine von ihnen, dass man ja auch in einem Unternehmen die Probleme erstmal intern bespreche. Aber ich bin doch an einer Hochschule und nicht in einem Unternehmen. Am Ende haben sie mir gesagt, dass der Rektor sauer sei. Ich müsse ihm …«
    Madar unterbrach mich, indem sie mit der Hand sanft mein Kinn nach oben drückte und mir direkt in die Augen schaute. »Was hast du denn bloß gesagt?«
    Ich wusste nicht, ob sie wütend oder traurig war. »Madar, nur meine Meinung: Warum ich an der Uni nicht glücklich bin. Aber das können die nicht ertragen. Genauso wenig, wie sie in den Vorlesungen kritische Meinungen ertragen können. Das habe ich zum Beispiel gesagt. Glaubst du, sie lassen da unterschiedliche Theorien aufeinanderprallen? Nein, nein , wir sind ja auch nicht an einer Universität, und Forschung hat nichts mit Kritik zu tun. Unser Stundenplan ist noch schulischer als in der Schule. Jeden Tag mehrere Vorlesungen hintereinander – keine Seminare, in denen diskutiert wird, nur einseitige Vorträge. Und wenn ich dann abends endlich nach Hause komme, bin ich so müde, dass ich mir überhaupt keine eigenen Gedanken mehr machen kann. Wisst ihr, wie man an der WHU das Lernen bezeichnet? – Burnen . Wie bei einer CD : Die Daten werden vorgegeben und wir müssen sie am besten eins zu eins in unsere Köpfe brennen.«
    »Mojtaba, ich weiß genau, was du meinst«, schaltete sich Milad ein. Für die Unterbrechung war
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