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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit
Autoren: Alastair Reynolds
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Resurgam-Expedition behalten. An sich hätten alle, die auf dem Planeten geblieben waren, anstatt mit ihr nach Hause zu fliegen, seine Verbündeten sein und damit seine Position stärken müssen. Aber so war es nicht. Nicht jedem, der mit Alicia sympathisierte, war es gelungen, an Bord der Lorean zu kommen, bevor das Schiff den Orbit verließ. Und unter den Zurückgebliebenen fanden viele, die früher auf Sylvestes Seite gestanden hatten, er habe die Krise schlecht gemeistert oder gar kriminelle Methoden eingesetzt. Seine Feinde behaupteten, jetzt trete erst zutage, was die Musterschieber vor der Begegnung mit den Schleierwebern mit seinem Gehirn angestellt hätten. Er sei ein pathologischer Fall, an der Grenze zum Wahnsinn. Man hatte die Erforschung der Amarantin-Funde zwar fortgesetzt, aber die Begeisterung ließ langsam nach. Zugleich rissen politische Differenzen und Feindseligkeiten Abgründe auf, die nicht zu überbrücken waren. Alle, die sich noch einen Rest von Loyalität zu Alicia bewahrt hatten – an erster Stelle Girardieu – schlossen sich zu den ›Flutern‹ zusammen. Unter Sylvestes Archäologen wuchs die Verbitterung, eine Belagerungsmentalität machte sich breit. Auf beiden Seiten kam es zu tödlichen Unfällen, deren Hergang mehr als zweifelhaft war. Jetzt trieb alles auf eine Entscheidung zu, und Sylveste war nicht zur Stelle, um die neue Krise zu lösen. »Aber ich kann auch das nicht aufgeben«, sagte er und deutete auf den Obelisken. »Ich brauche deinen Rat, Cal. Und ich werde ihn bekommen, weil du vollkommen von mir abhängig bist. Du bist sehr zerbrechlich, vergiss das nicht.«
    Calvin rutschte unruhig hin und her. »Das heißt, du setzt deinem Vater die Daumenschrauben an. Wie reizend von dir.«
    »Nein«, knirschte Sylveste mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich sage nur, du könntest in falsche Hände geraten, wenn du mich nicht gut berätst. Für den Pöbel bist du nur einer von vielen Angehörigen unseres erlauchten Clans.«
    »Wobei du dem nicht unbedingt zustimmen würdest, nicht wahr? In deinen Augen bin ich nur ein Programm, das du aufgerufen hast. Wann darf ich endlich wieder deinen Körper übernehmen?«
    »Darauf kannst du lange warten.«
    Calvin hob mahnend den Zeigefinger. »Nicht pampig werden, mein Sohn. Schließlich hast du mich gerufen, nicht umgekehrt. Du kannst den Geist jederzeit in die Flasche zurückschicken. Ich fühle mich dort ganz wohl.«
    »Das werde ich auch tun. Aber erst, nachdem ich deinen Rat gehört habe.«
    Calvin beugte sich vor. »Sag mir, was du mit meiner Alpha-Simulation angestellt hast, und ich überlege es mir.« Er grinste spitzbübisch. »Verdammt, vielleicht erzähle ich dir sogar ein paar Dinge über die Achtzig, die du noch nicht weißt.«
    »Was gibt es da schon zu erzählen?«, fragte Sylveste. »Neunundsiebzig unschuldige Menschen mussten sterben. Das ist kein Geheimnis. Aber ich mache dich nicht dafür verantwortlich. Ebenso gut könnte man die Fotografie eines Tyrannen als Kriegsverbrecher bezeichnen.«
    »Du verdankst mir dein Augenlicht, du undankbare kleine Rotznase.« Der Lehnstuhl drehte sich und zeigte Sylveste seine massive Rückseite. »Zugegeben, deine Augen sind nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Technik, aber was konntest du schon erwarten?« Der Lehnstuhl drehte sich wieder zurück. Jetzt trug Calvin die gleiche Kleidung und die gleiche Frisur wie Sylveste, und sein Gesicht war faltenlos. »Erzähl mir von den Schleierwebern«, verlangte er. »Verrate mir deine schmutzigen Geheimnisse, mein Sohn. Sag mir, was vor Lascailles Schleier wirklich geschehen ist, und speis mich nicht mit dem Lügengebäude ab, an dem du seit deiner Rückkehr arbeitest.«
    Sylveste trat an das Schreibpult, um die Kassette auszuwerfen. »Warte«, sagte Calvin und hob rasch die Hände. »Du wolltest doch meinen Rat?«
    »Jetzt kommen wir endlich zur Sache.«
    »Du darfst Girardieu nicht gewinnen lassen. Wenn der Umsturz wirklich unmittelbar bevorsteht, musst du nach Cuvier zurück, um die letzten Anhänger zu mobilisieren, die dir noch geblieben sind.«
    Sylveste schaute aus dem Fenster zum Gitter hinüber. Schatten wanderten über die Wälle – die Arbeiter verließen die Grabung und strebten lautlos dem zweiten Schlepper zu, um dort Schutz zu suchen. »Das könnte der wichtigste Fund seit unserer Landung sein.«
    »Trotzdem musst du ihn vielleicht opfern. Wenn du Girardieu in Schach hältst, kannst du dir wenigstens den Luxus erlauben,
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