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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit
Autoren: Alastair Reynolds
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schwindelerregende Aussicht den Blick auf sich: Park- und Gartenterrassen, die kilometerweit in die Tiefe führten und in einem üppigen, hell erleuchteten Pflanzenmeer verschwanden.
    »Ist es nicht schön, die alte Heimat wiederzusehen?«, fragte Cal. »Wenn man bedenkt, dass sie fast schon uns gehörte; unser Clan brauchte nur zuzugreifen… wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn wir die Zügel geführt hätten?«
    Janequin hielt sich am Geländer fest. »Sehr hübsch, Calvin, aber ich bin nicht als Tourist gekommen. Dan, was wolltest du mir sagen, bevor wir so…«
    »Rüde unterbrochen wurden?«, ergänzte Sylveste. »Ich wollte Cal bitten, die Daten der Gravitationsscanner aus dem Schreibpult abzurufen, nachdem er offenbar ohne weiteres auf meine privaten Dateien zugreifen kann.«
    »Das ist für jemanden in meiner Position nun wirklich ein Kinderspiel«, sagte Cal. Es dauerte einen Moment, bis er die trüben Bilder des vergrabenen Artefakts gefunden hatte, doch dann schwebte der Obelisk in Lebensgröße vor dem Balkon.
    »Oh, wie interessant«, rief Janequin. »Wirklich faszinierend.«
    »Nicht schlecht«, lobte auch Cal.
    »Nicht schlecht?«, wiederholte Sylveste. »Er ist weitaus größer und besser erhalten als alles, was wir bisher gefunden haben. Ein klarer Beweis, dass die Amarantin auf einer technisch fortgeschritteneren Zivilisationsstufe standen… womöglich kurz vor einer ausgewachsenen industriellen Revolution.«
    »Es könnte tatsächlich ein bedeutsamer Fund sein«, gab Calvin widerstrebend zu. »Du… hm, du willst ihn vermutlich freilegen?«
    »Das hatte ich bis vor kurzem noch vor.« Sylveste hielt inne. »Aber jetzt ist etwas dazwischengekommen. Ich habe soeben… Ich habe soeben ganz allein herausgefunden, dass Girardieu sehr viel früher gegen mich losschlagen will, als ich befürchtet hatte.«
    »Ohne Mehrheit im Expeditionsrat kann er dir nichts anhaben«, sagte Cal.
    »Nein, das könnte er nicht«, sagte Janequin, »wenn er so vorgehen wollte. Aber Dans Informationen sind richtig. Es sieht so aus, als plante Girardieu eine direkte Aktion.«
    »Das heißt, so etwas wie einen… Umsturz, nehme ich an.«
    »Das wäre wohl der Fachausdruck«, nickte Janequin.
    »Sind Sie sicher?« Wieder fiel Calvin in die Konzentrationspose. Schwarze Falten gruben sich in seine Stirn. »Ja… sie könnten Recht haben. In den Medien wird seit gestern viel über Girardieus nächsten Zug spekuliert, und man wundert sich, dass Dan sich irgendeiner Ausgrabung widmet, während die Kolonie durch eine Führungskrise stolpert… außerdem ist eine deutliche Zunahme an verschlüsselten Kontakten unter den bekannten Girardieu-Anhängern festzustellen. Ich kann die Codes natürlich nicht knacken, aber ich kann Vermutungen über den Grund für die gestiegene Frequenz anstellen.«
    »Dann ist tatsächlich etwas im Busch?«, fragte Dan. Sluka hatte Recht, dachte er bei sich. Und das hieß, sie hatte ihm sogar einen Gefallen getan, als sie drohte, die Arbeit niederzulegen. Ohne ihre Warnung hätte er Cal nie gerufen.
    »Es sieht ganz danach aus«, sagte Janequin. »Deshalb wollte ich dich ja so dringend erreichen. Was Cal über Girardieus Anhänger sagt, bestärkt mich nur in meinen Befürchtungen.« Seine Hand spannte sich fester um das Geländer. Die Ärmelmanschetten – die Jacke hing schlaff von seinen knochigen Schultern – waren mit Pfauenaugen bedruckt. »Es hat vermutlich keinen Sinn, wenn ich noch länger bleibe, Dan. Ich habe mich bemüht, meine Beziehung zu dir möglichst unverdächtig zu halten, aber ich muss davon ausgehen, dass dieses Gespräch abgehört wird. Mehr darf ich wirklich nicht sagen.« Er wandte sich von der Stadtansicht und dem schwebenden Obelisken ab und sah den Mann im Lehnstuhl an: »Calvin… Es hat mich sehr gefreut, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen.«
    Cal streckte eine Hand in Janequins Richtung. »Passen Sie gut auf sich auf«, sagte er. »Und viel Glück mit Ihren Pfauen.«
    Janequin war sichtlich überrascht. »Sie wissen von meinem kleinen Projekt?« Calvin lächelte nur. Was für eine überflüssige Frage, dachte Sylveste.
    Der alte Mann schüttelte ihm die Hand – die Projektion schloss auch taktile Interaktionen ein – und verließ den Aufnahmebereich.
    Die beiden blieben allein auf dem Balkon zurück.
    »Nun?«, fragte Cal.
    »Ich darf die Kontrolle über die Kolonie nicht verlieren.« Sylveste hatte auch nach Alicias Abzug formell die Leitung der gesamten
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