Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
als wir alle.«
    Khouri nickte. »Ich wollte ihn einmal töten – aber nur, weil ich eine Möglichkeit sah, dadurch Fazil zurückzubekommen. Gehasst habe ich ihn nie. Er war mir nicht einmal wirklich unsympathisch. Ich bewundere jeden, der seine Arroganz so vor sich her trägt, als sei das sein gutes Recht. Das gelingt den wenigsten Menschen. Aber er trug sie wie ein König. Das war schon keine Arroganz mehr – sondern etwas ganz anderes. Etwas, das man bewundern konnte.«
    Pascale äußerte sich nicht dazu, aber Khouri sah ihr an, dass sie die Einschätzung nicht völlig ablehnte. Vielleicht war sie nur noch nicht bereit, laut auszusprechen, dass sie Sylveste geliebt hatte, weil er so ein aufgeblasener Dreckskerl war und daraus etwas Großartiges gemacht hatte. Weil er seinen Dünkel wie jemand, der hocherhobenen Hauptes in Sack und Asche ging, mit so viel Bravour zur Schau gestellt hatte, dass er zur Tugend wurde.
    »Hör zu«, sagte Khouri nach einer Weile. »Ich habe eine Idee. Möchtest du bei vollem Bewusstsein sein, wenn die Gezeitenkräfte anfangen, nach uns zu schnappen, oder sollten wir lieber mit einer kleinen Stärkung an die Sache herangehen?«
    »Was meinst du damit?«
    »Ilia hat mir erzählt, man habe den Spinnenraum gebaut, um potenziellen Kunden das Schiff von außen zeigen zu können. Es ging dabei um Kunden, die man beeindrucken musste, um sie bei der Stange zu halten. Deshalb muss es hier irgendwo einen Barschrank geben. Wahrscheinlich gut sortiert, falls er im Lauf der letzten Jahrhunderte nicht irgendwann leer getrunken wurde. Aber es könnte sogar sein, dass er sich selbst wieder auffüllt. Verstehst du jetzt, was ich meine?«
    Pascale schwieg. Hades und sein Schwerkraftloch krochen näher. Khouri dachte schon, ihre Begleiterin habe den Vorschlag bewusst überhört. Doch endlich befreite sich Pascale aus ihrem Sitz und strebte nach hinten in bislang unerforschte Plüsch- und Messinggefilde.

Neununddreißig
    Im Inneren von Cerberus, letzter Raum, 2567
    Der Edelstein erstrahlte jetzt in einem eindeutig bläulichen Licht, als halte ihn Sylvestes Nähe von seinen Wanderungen durch das Spektrum ab und zwinge ihn zu einer Phase der Ruhe. Sylveste hielt es immer noch für gefährlich, sich ihm zu nähern, aber jetzt trieb ihn seine Neugier weiter – und das Gefühl, sein Schicksal erfüllen zu müssen. Das Gefühl mochte den tiefsten Schichten seines Gehirns entspringen. Der gleiche Instinkt, sich einer Gefahr stellen zu müssen, um sie zu zähmen, hatte wohl einst die Menschen bewogen, zum ersten Mal ins Feuer zu greifen, vor Schmerz zurückzuzucken und daraus zu lernen.
    Vor ihm entfaltete sich der Edelstein und durchlief geometrische Transformationen, denen er nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken wagte, aus Angst, sie zu verstehen und damit an ähnlichen Schwachstellen seines Bewusstseins Risse zu erzeugen.
    »Hältst du das wirklich für klug?«, fragte Calvin. Seine Kommentare waren mehr denn je Bestandteil von Sylvestes innerem Dialog geworden.
    »Für eine Umkehr ist es jetzt zu spät«, sagte eine Stimme.
    Sie gehörte weder Calvin noch Sylveste, aber sie klang so vertraut, als sei sie seit langem ein wenn auch stummer Teil von ihnen.
    »Du bist Sonnendieb, nicht wahr?«
    »Er ist schon die ganze Zeit bei uns«, sagte Calvin. »Nicht wahr?«
    »Länger, als du denkst. Seit du von Lascailles Schleier zurückgekehrt bist, Dan.«
    »Dann hatte Khouri vollkommen Recht«, sagte Sylveste, obwohl er das längst erkannt hatte. Wenn Sajakis leerer Anzug als Bestätigung noch nicht genügt hätte, dann hatten die Erkenntnisse, die ihm im weißen Licht zuteil geworden waren, seine letzten Zweifel ausgeräumt.
    »Was willst du von mir?«
    »Nur, dass du den – Edelstein – betrittst, wie du ihn nennst.« Die Stimme des Wesens – und Sylveste hörte jetzt nichts anderes mehr – war ein drohendes Zischen. »Du hast nichts zu befürchten. Er wird dir nicht schaden, und nichts wird dich hindern, diese Welt zu verlassen.«
    »Das würdest du immer sagen, nicht wahr?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Was ist mit dem Brückenkopf?«
    »Die Anlage ist noch in Funktion. Und so wird es bleiben, bis du Cerberus verlassen hast.«
    »Man kann nie wissen«, bemerkte Calvin. »Jedes Wort von ihm könnte eine Lüge sein. Er hat uns auf Schritt und Tritt getäuscht und manipuliert, nur um dich hierher zu locken. Warum sollte er ausgerechnet jetzt anfangen, die Wahrheit zu sagen?«
    »Weil es keine Rolle mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher