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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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diesen Computerprogrammierern, die sich mit irgendeiner neuen Internetsuchmaschine dumm und dämlich verdienen, und ich … ich … ich bin Direktorin auf einem Kreuzfahrtschiff. Ich bin eine berühmte Primaballerina beim New York City Ballet. Ich bin Herzchirurgin.
    Ich entscheide mich für die Herzchirurgin. Mein Stift fliegt über die Seite.
    «Die Zeit ist um», sagt Mr Phibbs. «Nur noch den Satz zu Ende, dann lesen wir vor.»
    Ich lese noch einmal schnell durch, was ich geschrieben habe. Es ist gut. Total aus den Fingern gesogen, aber wirklich nicht schlecht. «Kaum etwas kann inspirierender sein als die Komplexität und Schönheit des menschlichen Herzens», schreibe ich als letzten Satz, und beinahe glaube ich es selbst. Der Tagtraum über Tucker ist fast aus meiner Vorstellung gelöscht.

    «Also Herzchirurgin, was?», sagt Angela, als wir in Jackson über den Broadway gehen.
    Ich zucke mit den Schultern. «Du hast ‹Anwältin› geschrieben. Glaubst du wirklich, du würdest eine gute Anwältin abgeben?»
    «Ich wäre eine ausgezeichnete Anwältin.»
    Wir treten unter den Bogen mit der Aufschrift PINK GARTER, und Angela fischt nach ihren Schlüsseln, um die Tür aufzuschließen. Wie immer um diese Tageszeit wirkt das Theater völlig verlassen.
    «Na komm.» Sie legt mir die Hand auf die Schulter und schiebt mich durch den leeren Eingangsbereich.
    Einen Moment stehen wir im Dunkeln da. Dann geht Angela weg, verschwindet in der Schwärze, und gleich darauf erscheint ein Lichtkranz auf der Bühne, auf der immer noch die Kulissen für das Musical Oklahoma! zu sehen sind, ein nachempfundenes Farmhaus und Weizen. Zögerlich gehe ich den Mittelgang hinunter, vorbei an Sitzreihen aus rotem Samt, bis nach vorn zu den sauberen weißen Tischen vor dem Orchestergraben, wo Angela und ich das ganze letzte Schuljahr mit unseren Schulheften und ganzen Stapeln staubiger alter Bücher gesessen und über Engel, Engel und nochmals Engel geredet haben, bis ich manchmal dachte, mir würde der Kopf platzen.
    Angela springt heran. Sie klettert die Stufen am Bühnenrand hinauf, steht da und hält Ausschau, damit sie sofort sieht, wenn jemand hereinkommt. Unter der Bühnenbeleuchtung schimmert ihr langes schwarzes Haar in einem tiefen Dunkelblau, das nicht ganz von dieser Welt ist. Sie schiebt sich die langen Ponyfransen zurück und sieht mich mit diesem Ach-ich-bin-ja-so-toll-Ausdruck an. Ich schlucke.
    «Also, was ist los?», frage ich und tue so, als wäre es mir total egal. «Ich kann es kaum noch erwarten.»
    «Geduld ist eine Tugend», erwidert sie schnippisch.
    «Ich bin nicht besonders tugendhaft.»
    Sie lächelt geheimnisvoll. «Glaubst du, das habe ich nicht längst schon geahnt?»
    Eine Gestalt erscheint hinten im Theater, und ich spüre wieder diese panische Enge im Brustkorb. Dann nähert sich die Gestalt dem Licht, und jetzt halte ich aus einem ganz anderen Grund den Atem an.
    Es ist nicht Christian. Es ist mein Bruder.
    Ich schaue zu Angela. Sie zuckt mit den Schultern. «Es ist doch wohl nur fair, dass er weiß, was wir wissen, oder?»
    Ich drehe mich wieder um und sehe Jeffrey an. Verlegen tritt er von einem Fuß auf den anderen.
    Jeffrey ist in letzter Zeit schwer zu durchschauen gewesen. Irgendwas geht definitiv mit ihm vor. Wenn ich da nur an die Nacht des Waldbrands denke, als er zwischen den Bäumen hervorgeprescht kam, als wäre der Teufel hinter ihm her, und seine Flügel hatten die Farbe von Blei. Ich weiß nicht, ob das etwas zu bedeuten hat, sein seelisches Befinden anzeigt oder so, denn meine Flügel waren zu dem Zeitpunkt auch ziemlich dunkel, und zwar vom Ruß. Er sagte, er habe mich gesucht, aber das kaufe ich ihm bis heute nicht ab. Aber eines ist mal sicher – er war dort draußen. Im Wald. Als es gebrannt hat. Am nächsten Tag hat er dann vor dem Fernseher geklebt, hat eine Nachrichtensendung nach der anderen gesehen. Als habe er auf etwas gewartet. Und später hatten wir dann diese Unterhaltung:
    Ich (nachdem ich ihm alles darüber erzählt hatte, wie ich Christian im Wald gefunden und wie sich herausgestellt hatte, dass er ein Engelblut ist): «Dann war es offenbar nur gut, dass ich stattdessen Tucker gerettet habe.»
    Jeffrey: «Na ja, wenn es aber nicht deine Aufgabe war, Christian zu retten, was ist es denn dann gewesen?»
    Die Eine-Million-Dollar-Frage.
    Ich (unglücklich): «Keine Ahnung.»
    Dann hatte Jeffrey etwas total Merkwürdiges getan. Er lachte, ein bitteres, falsches Lachen, und
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