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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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der ganzen weiten Welt.

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    Regel eins im Engelclub
    Mr Phibbs, mein Lehrer im Englischleistungskurs – heute zum Glück die letzte Unterrichtsstunde –, lässt uns gleich die erste Klausur schreiben, einen Aufsatz mit dem Thema «Wo sehe ich mich in zehn Jahren».
    Ich nehme ein Heft raus, klicke auf meinen Kugelschreiber. Und starre auf das unbeschriebene Blatt. Und starre. Und starre.
    Wo sehe ich mich in zehn Jahren?
    «Ihr sollt euch eure Zukunft bildlich vorstellen», sagt Mr Phibbs, als hätte er mich ganz hinten in der Ecke entdeckt und als wüsste er, dass ich große Mühe mit dem Thema habe. Ich habe Mr Phibbs von Anfang an gemocht; mit seiner runden Nickelbrille und dem langen weißen Pferdeschwanz, der ihm über den Kragen hängt, kommt er mir fast so vor wie Gandalf der Zauberer oder Professor Dumbledore. Aber im Moment geht er mir auf die Nerven.
    Ich soll mir meine Zukunft bildlich vorstellen, sagt er. Ich mache die Augen zu. Allmählich formt sich ein Bild in meinem Bewusstsein. Ein Wald unter einem orangefarbenen Himmel. Eine Hügelkette. Christian, der wartet.
    Ich öffne die Augen wieder. Plötzlich bin ich wütend.
    Nein, ich denke nicht an jemand Besonderen. Das ist nicht meine Zukunft. Das ist meine Vergangenheit. Meine Zukunft liegt bei Tucker.
    Mir das vorzustellen ist einfach. Wieder mache ich die Augen zu, und mit ein bisschen Mühe sehe ich die Umrisse einer großen roten Scheune auf der Lazy Dog Ranch, der Himmel darüber wolkenlos und blau. Ein Mann führt auf einer Koppel ein Pferd herum. Das Pferd sieht aus wie Midas, ein wunderschöner Fuchs mit glänzendem Fell. Und auf dem Pferd sitzt – bei dem Bild geht mein Atem schneller – ein kleiner Junge, ein ganz kleiner dunkelhaariger Junge, der kichert, während Tucker – der Mann ist eindeutig Tucker, der Hintern ist unverkennbar – ihn über die Koppel lenkt. Der Junge sieht mich, winkt. Ich winke zurück. Tucker führt das Pferd zum Zaun herüber.
    «Guck mal, guck mal», ruft der Junge.
    «Ich gucke ja! Hallo, Süßer», sage ich zu Tucker. Er beugt sich über den Zaun, weil er mich küssen will, nimmt mein Gesicht in beide Hände, und da sehe ich den schlichten goldenen Ring an seinem Finger glänzen.
    Wir sind verheiratet.
    Das ist der beste Tagtraum aller Zeiten. Irgendwo tief in mir drin weiß ich, dass es nur ein Tagtraum ist, die Mischung aus aktiver Fantasie und Wunschdenken. Keine Vision. Nicht die Zukunft, die für mich vorgesehen ist. Aber die Zukunft, die ich will.
    Ich mache die Augen auf, dann halte ich meinen Kugelschreiber noch fester und schreibe: «In zehn Jahren werde ich verheiratet sein. Ich werde ein Kind haben. Ich werde glücklich sein.»
    Ich lege den Kugelschreiber weg und starre die Worte an. Sie überraschen mich. Ich war nie ein Mädchen, das vom Heiraten geträumt hat, ich habe nie einen Jungen auf dem Schulhof genötigt, mir Heiratsversprechungen zu machen, habe mich nie in Laken gehüllt und so getan, als schritte ich in der Kirche auf den Altar zu. Als kleines Mädchen habe ich mir aus Zweigen Schwerter gemacht, und Jeffrey und ich haben uns gejagt und uns zugerufen: «Ergib dich oder stirb!» Nicht dass ich ein totaler Wildfang gewesen wäre. Ich habe die Farbe Rosa gemocht und Nagellack und Übernachtungspartys bei Freundinnen, und den Namen von meinem Schwarm habe ich wie jedes andere Mädchen auch in der Schule an den Rand meiner Schulhefte gekritzelt. Aber als verheiratete Frau habe ich mich noch nie gesehen. Als Mrs Sowieso. Ich bin wohl irgendwie davon ausgegangen, dass ich irgendwann heiraten würde. Es schien einfach nur zu weit weg zu sein, als dass ich mir darüber Gedanken gemacht hätte.
    Aber vielleicht bin ich ja doch eines von diesen Mädchen.
    Noch einmal schaue ich auf das Blatt. Drei Sätze habe ich aufs Papier gebracht. Wendy schreibt offenbar ein ganzes Buch darüber, wie fantastisch ihr Leben sein wird, und ich habe drei Sätze zustande gebracht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht die Art Sätze sind, die Mr Phibbs sonderlich schätzen wird.
    «Na schön, noch fünf Minuten», sagt Mr Phibbs. «Dann geht es ans Vorlesen.»
    Panik macht sich breit. Ich muss mir irgendwas einfallen lassen. Was könnte ich werden wollen? Angela wird Dichterin, Wendy Tierärztin, Kay Patterson dahinten ist an der Uni erste Vorsitzende der Studentinnenvereinigung und heiratet einen Senator, Shawn gewinnt olympisches Gold als Snowboarder, Jason ist einer von
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