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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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Palisades Reservoir. Ich habe gehofft, du wärst bei ihm und hättest das Handy dabei.»
    «Tut mir leid.»
    «Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl.» Sie klingt, als sei sie den Tränen nahe.
    Auch ich habe ein schlechtes Gefühl. Ein sehr, sehr schlechtes Gefühl. «Und du bist sicher, dass er nicht zu Hause ist?»
    «Er könnte draußen in der Scheune sein», sagt sie. «Da gibt es kein Telefon. Ich hab ihm zig Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Könntest du mal nach ihm sehen?»
    Ich habe keine andere Wahl. Ich darf hier nicht weg, nicht jetzt, da das Feuer so nah ist, nicht ohne zu wissen, wie viel Zeit ich noch habe.
    «Ich kann nicht», sage ich hilflos. «Nicht im Moment.»
    Eine Weile herrscht Schweigen.
    «Es tut mir wirklich leid, Wendy. Ich werde ihn suchen gehen, sobald ich kann, ja?»
    «Ja, gut», sagt sie. «Danke.»
    Sie legt auf. Einen Moment lang stehe ich da und starre auf das Telefon. Meine Gedanken überschlagen sich. Nur um sicherzugehen, rufe ich bei Tucker zu Hause an und leide Qualen, während das Telefon klingelt und klingelt. Als der Anrufbeantworter angeht, lege ich auf.
    Wie lange würde es dauern, von hier zur Lazy Dog Ranch zu fliegen? Zehn Minuten? Fünfzehn? Weit ist es nicht. Unruhig gehe ich auf und ab. Mein Bauch sagt mir, dass irgendwas nicht stimmt. Tucker ist nicht zu erreichen. Er ist in Schwierigkeiten. Und ich stehe einfach nur da und warte auf Gott weiß was.
    Ich werde gehen. Ich werde fliegen, so schnell ich kann, und dann gleich zurückkommen.
    Ich kommandiere meine Flügel hervor und stehe einen Moment lang unschlüssig mitten auf der Fox Creek Road.
    Niemand hat gesagt, dass ich keine Opfer bringen müsste. Ich gehöre hierher, jetzt in diesem Moment.
    Ich kann nicht denken. Auf einmal bin ich in der Luft, schieße auf Tuckers Haus zu, so schnell mich meine Flügel tragen.
    Ist schon gut, sage ich mir. Du hast noch Zeit. Du suchst ihn einfach und kommst dann eben wieder zurück.
    Dann befehle ich mir, mich auf meinen Flug zu konzentrieren und nicht darüber nachzudenken, was das alles zu bedeuten hat – Tucker und Christian und die Wahl, die ich treffen muss.
    Ich brauche nur ein paar Minuten zur Lazy Dog Ranch. Ich rufe Tuckers Namen, noch bevor ich auf dem Boden gelandet bin. Sein Pick-up steht nicht in der Einfahrt. Ich starre auf die Stelle, an der er sonst immer parkt, starre auf den Ölfleck auf dem schmutzigen Boden, das plattgedrückte Unkraut und die kleinen Wildblumen, und ich fühle mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen.
    Er ist nicht hier.
    Ich renne in die Scheune. Alles sieht ganz normal aus, alle Arbeiten sind erledigt, die Ställe ausgemistet, das Sattel- und Zaumzeug ordentlich aufgehängt. Aber Midas fehlt, fällt mir auf. Tuckers Pferd ist nicht da, genauso wenig wie das Zaumzeug, das er zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, und der Sattel, der meist an der Wand ganz hinten lehnt. Als ich wieder draußen auf dem Hof stehe, sehe ich, dass auch der Pferdeanhänger weg ist.
    Er ist da draußen. Mit dem Pferd. Abseits von Telefonen und Radios und Nachrichten.
    Der Himmel nimmt die vertraute goldorange Farbe an. Das Feuer kommt näher. Ich muss wieder zur Fox Creek Road. Ich weiß, dass dies der Moment der Wahrheit ist. Ich sollte hierher, um nach Tucker zu sehen, aber das ist es jetzt. Wenn ich wieder zur Fox Creek Road komme, wird dort der silberne Pick-up stehen. Christian wird dort sein und auf mich warten. Ich werde ihn retten.
    Plötzlich bin ich in der Vision. Ich stehe am Straßenrand und betrachte Christians silbernen Avalanche. Gerade will ich zu Christian gehen. Meine Hände krampfen sich zu Fäusten, so fest, dass mir die Fingernägel in die Handflächen schneiden, denn ich weiß es. Tucker sitzt in der Falle. Ich sehe ihn deutlich vor meinem inneren Auge, wie er sich an den Hals des Pferdes lehnt, wie er sich umsieht auf der Suche nach einem Weg aus dem Inferno, das über ihn hereingebrochen ist, wie er nach mir sucht. Er flüstert meinen Namen. Dann schluckt er und neigt den Kopf. Er dreht sich zu Midas um und streichelt ihm sacht den Hals. Ich blicke in sein Gesicht, während er seinen Tod akzeptiert. In nur wenigen Augenblicken wird das Feuer ihn erreichen. Und ich bin meilenweit entfernt und mache meine ersten Schritte auf Christian zu. Ich bin so weit weg.
    Jetzt verstehe ich. Die Traurigkeit in der Vision ist nicht der Kummer des Schwarzflügels. Diese Traurigkeit ist allein meine. Die
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