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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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verschwunden. Ich packe sein Ohr noch fester. Er heult auf vor Schmerz. Ein dunstiger Rauch steigt von ihm auf wie von Trockeneis gebildeter Nebel. Er verdampft.
    Dann löst sich sein Ohr, und ich halte es in meiner Hand.
    Ich bin so entsetzt, dass ich den Glanz beinahe verliere. Ich lasse das unglaublich dicke, hässliche Ohr fallen, das in winzige Partikel zerfällt, kaum dass es auf dem Boden aufkommt. Noch einmal strecke ich die Hand nach dem Engel aus und hoffe, dass ich ihn diesmal am Hals packen kann, doch er dreht sich weg. Auch die Haut auf dem Arm, wo ich ihn umklammert halte, löst sich auf wie Asche im Regen. Nein. Wie Staub. Wie Staub, der vom Wind zerstreut wird.
    «Lass los», sagt er.
    «Fahr zur Hölle!» Ich stoße ihn weg von uns. Er stolpert einen Schritt zurück.
    Ein Wogen in der Luft, ein kalter Windstoß, und er ist verschwunden.
    Meine Mutter hustet. Ich sinke auf die Knie und drehe sie langsam um. Sie öffnet die Augen und sieht mich an, macht den Mund auf, aber es kommt kein Ton heraus.
    «Ach, Mama», hauche ich, als ich die dunkler werdenden Male auf ihrem Hals sehe, die Abdrücke seiner Hände. Der ruhmreiche Glanz beginnt zu verblassen.
    Sie tastet nach meiner Hand, und ich nehme sie.
    Lass es noch nicht wieder fort , höre ich ihre Stimme in meinem Kopf. Halt mich fest.
    Ich beuge mich zu ihr hinunter, damit sie sich in meinem Licht sonnen kann. Schon bald kann ich zusehen, wie ihre Wunden an Kopf und Hals verblassen und dann verschwinden. Die Haare, die die Flammen zerstört haben, wachsen wieder nach. Sie holt Luft wie ein Taucher, der atemlos an die Wasseroberfläche kommt.
    «Oh, Gott sei Dank.» Ich zittere vor Erleichterung.
    Sie setzt sich auf. Unverwandt starrt sie über meine Schulter hinweg auf etwas, das hinter mir ist.
    «Wir müssen weg von hier», sagt sie.
    Ich drehe mich um. Das Feuer des Schwarzflügels wächst sich allmählich zu einem richtigen, knisternden, waschechten Waldbrand aus, wild und unaufhaltsam, und es verschlingt alles auf seinem Weg, auch uns, wenn wir noch einen Augenblick länger hierbleiben.
    Ich sehe wieder meine Mutter an. Sie rappelt sich langsam auf und bewegt sich vorsichtig wie ein alter Mensch, der aus einem Rollstuhl aufsteht.
    «Alles in Ordnung mit dir?»
    «Ich bin schwach. Aber ich kann fliegen. Wir müssen los.»
    Wir nehmen uns bei den Händen und schrauben uns gemeinsam in die Luft. Als wir hoch genug sind, sehe ich, wie sehr das Feuer um sich gegriffen hat. Der Wind nimmt zu. Er erfasst das Feuer, und plötzlich ist es doppelt so groß wie noch vor einer Minute, eine Flammenwand, die sich stetig den Berg hinunterbewegt, Richtung Death Canyon.
    Ich kenne dieses Feuer. Ich würde es immer wiedererkennen.
    «Komm schon», sagt meine Mutter.
    Wir fliegen heimwärts. Auf dem Nachhauseweg versuche ich, in meinem erschöpften Gehirn den Gedanken Fuß fassen zu lassen, dass dies das Feuer meiner Vision ist und dass ich jetzt, nach allem, was geschehen ist, losfliegen muss, um Christian zu retten. Seltsam, dass in der Vision niemals ein Schwarzflügel vorkam. Oder die Hölle. Oder sonst irgendetwas, das hätte nützlich sein können.
    «Schätzchen, halt an», ruft meine Mutter mir zu. «Ich muss eine Pause machen.»
    Wir landen am Ufer eines kleinen Sees.
    Mama setzt sich auf einen umgefallenen Baumstamm. Sie keucht, so sehr hat der weite, schnelle Flug sie angestrengt. Sie ist ganz blass. Was, wenn der Schwarzflügel ihr Wunden zugefügt hat, die der himmlische Glanz nicht heilen kann, denke ich. Was, wenn sie jetzt stirbt?
    Auf einmal fällt mir mein Handy wieder ein. Ich ziehe es aus der Tasche und will die Nummer des Notrufs wählen.
    «Nicht», sagt Mama. «Ich komme schon wieder in Ordnung. Ich muss mich nur ausruhen. Du solltest jetzt zur Fox Creek Road fliegen.»
    «Aber du bist verletzt.»
    «Ich sagte doch, ich komme schon wieder in Ordnung. Also los.»
    «Erst bringe ich dich nach Hause.»
    «Dafür ist jetzt keine Zeit.» Sie schiebt mich von sich weg. «Wir haben schon so viel Zeit verloren. Du musst zu Christian.»
    «Mama …»
    «Los, du musst zu Christian», sagt sie. «Geh jetzt! Sofort!»

[zur Inhaltsübersicht]
    Blind vor Rauch
    Ich mache mich auf den Weg zur Fox Creek Road. Ich bin völlig erschöpft von allem, was passiert ist, aber ich fliege, und meine Flügel scheinen den Weg zu kennen. Ich sinke an genau der Stelle auf die Straße, an der meine Vision normalerweise beginnt.
    Ich sehe mich um. Am Straßenrand parkt
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