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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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Schwarzflügel. Ihre Augen sind von Kummer überschattet. Ihre Flügel sind von einem dunklen, sanften Grau. Sogar in der dunstigen Spiegelung des Fensters ist das klar zu erkennen.
    «Was hat das zu bedeuten?», fragt Tucker.
    «Ich muss los.»
    Genau in dem Augenblick fährt meine Mutter im Prius vor.
    «Was ist passiert?», fragt sie. «Ich hab im Radio gehört, dass das Feuer jetzt jenseits der Fox Creek Road bist. Wo ist …»
    Dann sieht sie Tucker im Gras knien. Ihr Lächeln verblasst. Mit weit aufgerissenen, schreckerfüllten Augen sieht sie mich an.
    «Wo ist Christian?», fragt sie.
    Ich kann ihr nicht in die Augen sehen. Das Feuer hat die Fox Creek Road bereits erfasst, hat sie gesagt. Rasch kommt sie auf mich zu und packt mich beim Flügel, dreht mich um, sodass sie einen ungehinderten Blick auf die dunklen Federn werfen kann.
    «Clara, was hast du getan?»
    «Ich musste Tucker retten. Er wäre gestorben.»
    In dem Augenblick wirkt sie so zerbrechlich, so ausgelaugt und gebrochen und verloren. Ihre Augen ohne Hoffnung. Einen Moment macht sie sie zu, dann öffnet sie sie wieder.
    «Du musst jetzt los und ihn suchen», sagt sie dann. «Ich kümmere mich um Tucker. Los!»
    Dann küsst sie mich auf die Stirn, als wolle sie sich für immer von mir verabschieden, und wendet sich um.

[zur Inhaltsübersicht]
    Und der Regen fiel
    Ich komme zu spät, aber ich habe gewusst, dass es so sein würde.
    Das Feuer war schon da.
    Ich lande. Die Stelle, an der ich mich befinde, wenn meine Vision beginnt, ist versengt und schwarz. Nichts lebt mehr. Die Bäume sind geschwärzte Stangen. Der Avalanche parkt am Straßenrand, Rauch steigt daraus auf, der Wagen ist verkohlt und ausgebrannt.
    Ich laufe den Hügel hinauf zu der Stelle, an der Christian in meiner Vision immer steht. Er ist nicht da. Der Wind wird stärker und bläst mir heiße Asche ins Gesicht. Der Wald sieht aus wie die Hölle: Das Land ist dasselbe wie immer, aber vollkommen verbrannt. Ohne alles Schöne und Gute. Ohne Farbe, ohne Geräusch, ohne Hoffnung.
    Er ist nicht da.
    Die Wucht dieser Erkenntnis trifft mich. Dies ist meine Aufgabe, und ich habe versagt. Die ganze Zeit über habe ich nur an Tucker gedacht. Ich habe ihn gerettet, weil ich ohne ihn nicht mehr weiterleben wollte. Dieses Leid wollte ich nicht. Ich bin selbstsüchtig. Und nun ist Christian fort. Dabei sollte er etwas Besonderes sein, hatte meine Mutter gesagt. Es gab einen Plan für ihn, etwas Bedeutenderes, als ich es bin oder Tucker oder sonst jemand. Er war für etwas bestimmt. Und nun ist er fort.
    «Christian!», schreie ich verzweifelt, und der Klang meiner Stimme hallt von den verkohlten Baumstämmen wider.
    Es kommt keine Antwort.

    Eine Weile halte ich nach seinem Leichnam Ausschau. Ich überlege, ob er wohl zu Asche verbrannt sein könnte, wenn das Feuer derart heiß war. Dann kehre ich um und gehe zurück zum Pick-up. Die Schlüssel stecken noch im Zündschloss. Das ist das einzige Lebenszeichen von ihm. Ganz benommen marschiere ich suchend durch den verkohlten Wald. Dann geht die Sonne unter, als feuriger roter Ball versinkt sie hinter den Bergen. Es wird dunkel.
    Die Gewitterwolken, die von Osten herangezogen sind, reißen auf, und wie aus einem voll aufgedrehten Wasserhahn ergießt sich der Wolkenbruch. Innerhalb von Minuten bin ich bis auf die Haut durchweicht. Ich zittere. Und ich bin allein.
    Nach Hause kann ich nicht. Ich würde die Enttäuschung auf Mamas Gesicht nicht ertragen, könnte mich selbst nicht mehr ausstehen. Frierend und nass mit im Gesicht und am Hals klebenden Haarsträhnen gehe ich weiter. Ich wandere zur Hügelspitze und sehe das Feuer in der Ferne wüten, die Flammen züngeln am orangefarbenen Himmel. In gewisser Weise ist es wunderschön. Der Feuerschein. Der Tanz des Rauchs. Und dann das Gewitter, die schwarzen, grollenden Wolken, die kleinen Lichtblitze hier und da. Der Regen so kühl auf meinem Gesicht, der den Ruß fortwischt. So ist das immer, nehme ich an. Schönheit und Tod.
    Hinter mir bewegt sich etwas im Gebüsch. Ich drehe mich um.
    Christian kommt zwischen den Bäumen hervor.

    Die Zeit ist ein seltsames Etwas. Manchmal zieht sie sich endlos in die Länge. Wie die Französischstunde in der Schule. Ein andermal rast sie vorbei, die Tage sausen dahin. Einmal, in der ersten Klasse, hatte ich solch ein Erlebnis. Ich stand auf dem Spielplatz der Grundschule, in der Nähe vom Klettergerüst, und ein paar Drittklässler liefen vorbei. Sie kamen mir
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