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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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werde nicht versuchen, es Ihnen wegzunehmen. Ehrenwort! Ich möchte es nur sehen. Das verstehen Sie bestimmt.«
    Der Zug fuhr wieder an. Wenig Beschleunigung, kein Ruckeln, niedriges Tempo. Ein sanftes Gleiten in die Station. Ein langsames Rollen. Noch ungefähr zweihundert Meter, dachte ich.
    Ich sagte: »Ich habe ein Recht darauf, es wenigstens zu sehen, denke ich. Würden Sie mir nicht zustimmen?«
    Sie machte ein Gesicht, als verstünde sie das nicht.
    Sie sagte: »Ich sehe nicht ein, wieso das Ihr Recht sein soll.«
    »Das tun Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Weil dieses Ding auch mich etwas angeht. Und vielleicht kann ich kontrollieren, ob es richtig verdrahtet ist. Für später. Denn Sie müssen es später einsetzen. Nicht jetzt.«
    »Sie haben gesagt, dass Sie ein Cop sind.«
    »Wir können eine Lösung finden«, sagte ich. »Ich kann Ihnen helfen.« Ich warf einen Blick über die Schulter. Der Zug kroch weiter. Vor uns weißes Licht im Tunnel. Ich schaute wieder nach vorn. Die rechte Hand der Frau bewegte sich. Sie bemühte sich um einen festeren Griff, befreite den Gegenstand zugleich vom Stoff der Umhängetasche.
    Ich beobachtete sie. Der Taschenrand verfing sich an ihrem Handgelenk, und sie benützte die Linke, um es zu befreien. Dann zog sie die rechte Hand heraus.
    Keine Batterie. Keine Drähte. Kein Knopf, kein Schalter, keine Zündmaschine.
    Etwas ganz anderes.

5
     
    Die Frau hielt eine Schusswaffe in der Hand. Sie zielte damit auf mich. Eher tief, unterhalb der Rumpfmitte, auf der Linie zwischen Leistengegend und Nabel. Dort befinden sich alle möglichen lebenswichtigen Dinge: Organe, Rückgrat, Eingeweide, verschiedene Venen und Arterien. Die Waffe war eine Ruger Speed-Six. Ein großer alter Revolver Kaliber .357 Magnum mit zehn Zentimeter langem Lauf, der imstande war, mich so zu durchlöchern, dass Tageslicht durchscheinen konnte.
    Insgesamt war ich jedoch heiterer als noch vor einer Sekunde. Aus vielerlei Gründen. Bomben bringen viele Leute plötzlich um, Schusswaffen töten sie einzeln. Mit Bomben braucht man nicht zu zielen, mit Schusswaffen schon. Der Speed-Six wiegt geladen fast ein Kilo. Das ist viel Masse, die ein schmales Handgelenk beherrschen soll. Und Magnumpatronen erzeugen grelles Mündungsfeuer und starken Rückstoß. Hatte sie schon mit dieser Waffe geschossen, würde sie das wissen. Und sie würde sich das bei Schützen bekannte »Magnum-Zucken« angewöhnt haben: eine Zehntelsekunde vor dem Abdrücken den Arm verkrampfen, die Augen schließen und den Kopf wegdrehen. Sie hatte gute Chancen, mich zu verfehlen – selbst aus zwei Meter Entfernung. Die meisten Schüsse aus Handfeuerwaffen gehen daneben. Vielleicht nicht auf dem Schießstand, nicht mit Ohrenschützern und Schießbrille, ohne Zeitdruck und ohne dass etwas auf dem Spiel steht. Aber im richtigen Leben, mit Panik und Stress, zitternden Händen und jagendem Herzen haben Handfeuerwaffen mehr mit Glück oder Pech zu tun. Mit ihrem oder meinem.
    Verfehlte sie mich, würde sie keine zweite Chance bekommen.
    Ich sagte: »Immer mit der Ruhe.« Nur um irgendetwas zu reden. Ihr Zeigefinger am Abzug war kalkweiß, aber sie hatte ihn noch nicht bewegt. Der Speed-Six ist ein Revolver mit doppelt wirkendem Abzug, bei dem die erste Hälfte der Abzugbewegung den Hammer zurückzieht und die Trommel dreht. Die zweite Hälfte lässt den gespannten Hammer nach vorn schlagen und löst den Schuss aus. Ein komplizierter Mechanismus, der Zeit braucht. Nicht viel, aber doch etwas. Ich starrte ihren Finger an. Spürte auch, dass der Kerl mit dem Blick eines Baseballspielers uns beobachtete. Für alle anderen blockierte mein Rücken vermutlich die Szene.
    Ich sagte: »Sie haben keinen Streit mit mir, Lady. Sie kennen mich nicht mal. Stecken Sie das Ding weg, damit wir miteinander reden können.«
    Sie gab keine Antwort. Vielleicht drückte ihre Miene etwas aus, aber ich achtete nicht darauf. Ich fixierte ihren Zeigefinger. Das war der einzige Teil von ihr, der mich interessierte. Und ich konzentrierte mich auf die durch den Wagenboden zu spürenden Vibrationen. Wartete darauf, dass der Wagen anhielt. Mein verrückter Mitfahrer hatte mir erzählt, dass jeder R142A fünfunddreißig Tonnen wiegt. Seine Höchstgeschwindigkeit beträgt hundert Stundenkilometer. Deshalb hat er sehr starke Bremsen. Zu stark, um bei langsamer Fahrt fein dosiert zu werden. Sie rucken, knirschen und blockieren sogar. Die letzten Meter vor dem Anhalten rutschen die Züge oft mit
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