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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn.
Autoren: Elizabeth George
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Ich kann nicht behaupten, daß ich an Ihrer Stelle anders gehandelt hätte.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    Aber Lynley hatte gewußt, daß Hanken log. Denn das Wichtigste bei dieser Arbeit war zu wissen, wann man seinem Herzen folgen konnte und wann es katastrophale Folgen haben würde.
    »Barbara hatte von Anfang an recht«, sagte Lynley zu Helen, als sie aus der Wanne stieg und das Badetuch nahm, das er ihr hinhielt. »Hätte ich wenigstens das gesehen, dann wäre dies alles nicht geschehen, weil ich in London geblieben wäre und die Ermittlungen in Derbyshire zurückgefahren hätte, während wir King-Ryder geschnappt hätten.«
    »Wenn das zutrifft«, sagte Helen leise und wickelte das Badetuch um ihren Körper, »dann trifft mich genausoviel Schuld an dem, was passiert ist, Tommy.« Und sie erzählte ihm, wie es dazu gekommen war, daß Barbara King-Ryder in die Falle gelockt hatte, nachdem sie von dem Fall abgezogen worden war. »Ich hätte dich anrufen können, als Denton mich über die Musik aufgeklärt hatte. Aber ich habe es nicht getan.«
    »Ich bezweifle, daß ich auf dich gehört hätte, wenn ich gewußt hätte, daß deine Informationen Barbara recht geben würden.«
    »Apropos Barbara ...« Helen ging zum Toilettentisch, nahm eine kleine Flasche Lotion, die sie in ihr Gesicht einzumassieren begann. »Was hat dich an Barbara wirklich so wütend gemacht? Wegen dieser Geschichte auf der Nordsee. Denn ich weiß doch, daß du Barbara im Grunde für eine gute Kriminalbeamtin hältst. Sie geht vielleicht hin und wieder eigene Wege, aber sie hat doch das Herz am rechten Fleck.«
    Und da war es wieder, dieses Wort »Herz« mit all seinen Bedeutungen für die Gründe menschlichen Handelns. Als Lynley das Wort jetzt aus dem Mund seiner Frau hörte, fühlte er sich an eine andere erinnert, die es viele Jahre früher gebraucht hatte, an eine Frau, die weinend zu ihm gesagt hatte: »Mein Gott, Tommy, hast du denn überhaupt kein Herz mehr?«, als er sich in seiner Erschütterung über die Entdeckung ihres Ehebruchs geweigert hatte, mit ihr zu sprechen.
    Und da begriff er endlich. Er verstand zum ersten Mal, und dieses Verstehen ließ ihn schaudernd vor dem Mann zurückweichen, der er zwanzig Jahre lang gewesen war. »Ich konnte sie nicht beherrschen«, sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu seiner Frau.
    »Ich konnte sie nicht in das Bild hineinpressen, das ich von ihr hatte. Sie hatte ihren eigenen Willen, und das konnte ich nicht ertragen. Er stirbt, dachte ich, und sie soll sich verdammt noch mal wie eine Frau verhalten, deren Mann im Sterben liegt.«
    Helen verstand. »Ah. Deine Mutter.«
    »Ich dachte, ich hätte ihr schon vor langer Zeit verziehen. Aber vielleicht habe ich ihr nie verziehen. Vielleicht ist sie immer noch da – in jeder Frau, mit der ich zu tun habe –, und vielleicht versuche ich immer noch, sie zu etwas zu machen, das sie nicht sein will.«
    »Oder vielleicht hast du dir auch einfach selbst nie dafür verziehen, daß du sie nicht aufhalten konntest.« Helen stellte die Lotion weg und kam zu ihm. »Ach, wir schleppen alle soviel Gepäck mit uns herum, nicht? Und gerade wenn wir glauben, wir hätten endlich alles ausgepackt, ist plötzlich alles wieder da, wartet vor der Schlafzimmertür, um uns ins Stolpern zu bringen, wenn wir am Morgen aufstehen.«
    Sie nahm den Turban um ihren Kopf ab und schüttelte ihr Haar aus. Auf ihren Schultern schimmerten Wassertröpfchen und sammelten sich in ihrer Halsgrube.
    »Deine Mutter, mein Vater«, sagte sie. Sie nahm seine Hand und drückte sie an ihre Wange. »Irgend jemand ist es immer. Ich war völlig durcheinander wegen dieser albernen Tapeten. Ich sagte mir, wenn ich nicht die Rolle übernommen hätte, die mein Vater mir zugedacht hatte – als Gattin eines Mannes mit einem Adelstitel –, hätte ich bei der Durchsicht der Tapeten gleich gewußt, was ich will. Und weil ich nicht wußte, was ich wollte, habe ich ihm die Schuld gegeben. Meinem Vater. Aber wahr ist, daß ich immer meinen eigenen Weg hätte gehen können, genau wie Pen und Iris das getan haben. Ich hätte nein sagen können.
    Aber ich habe es nicht getan, weil der vorgezeichnete Weg so viel bequemer war und längst nicht so beängstigend wie ein Weg ins Unbekannte, den ich mir selbst hätte bahnen müssen.«
    Lynley strich ihr liebevoll über die Wange. Er ließ seine Finger zu ihrem langen, schönen Hals hinuntergleiten.
    »Manchmal hasse ich es, erwachsen zu sein«, sagte Helen. »Als Kind
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