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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn.
Autoren: Elizabeth George
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am Leben wäre? Was ist denn passiert?«
    Lynley berichtete es ihr, und er ersparte sich nichts, wie Barbara sah. Aber das war eben seine Art.
    Er schloß mit den Worten: »Ich habe mich auf mein Urteil verlassen, als ich beschloß, im Beisein der Mutter nicht über Nicola Maidens Lebenswandel zu sprechen. Ich wußte, daß Andy es so wollte, und ich habe ihm den Gefallen getan. Hätte ich einfach getan, was ich hätte tun sollen ...« Er machte eine ziellose Handbewegung. »Ich habe mich von meinen persönlichen Gefühlen für den Mann beeinflussen lassen. Ich habe die falsche Entscheidung getroffen, und infolge dieser Entscheidung ist er gestorben. Sein Blut klebt an meinen Händen, so unauslöschlich, als hätte ich selbst das Messer geführt.«
    »Jetzt sind Sie aber ein bißchen sehr hart gegen sich«, erwiderte Barbara. »Sie hatten schließlich nicht gerade massenhaft Zeit, sich zu überlegen, wie Sie am besten vorgehen sollten, nachdem Nan Maiden mitten in Ihr Gespräch geplatzt war.«
    »Nein. Ich konnte ihr ansehen, daß sie etwas wußte. Aber ich dachte, was sie wüßte – oder zumindest glaubte –, wäre, daß Andy ihre Tochter getötet hatte. Aber selbst da bin ich nicht mit der Wahrheit herausgerückt, weil ich nicht glauben konnte, daß er seine Tochter ermordet hatte.«
    »Und er hat es ja auch nicht getan«, sagte Barbara. »Ihre Entscheidung war also richtig.«
    »Ich glaube nicht, daß man die Entscheidung vom Ausgang der Sache trennen kann«, erklärte Lynley. »Früher hätte ich das geglaubt, jetzt nicht mehr. Die Sache ist wegen der Entscheidung so und nicht anders ausgegangen. Und wenn das Ergebnis ein unnötiger Tod ist, dann war die Entscheidung schlecht. Wir können die Fakten nicht verdrehen, um das Bild zu schönen, auch wenn wir das noch so gern tun würden.«
    Es klang wie ein Schlußwort, fand Barbara. Sie nahm es als solches. Sie griff nach ihrem Gurt und zog ihn um sich herum. Als sie ihn einrasten lassen wollte, sagte Lynley: »Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, Barbara.«
    »Ja, aber ich war Ihnen gegenüber ja auch im Vorteil«, erwiderte sie. »Ich habe mit Cilla Thompson persönlich gesprochen. Sie nicht. Und ich hatte auch mit King-Ryder persönlich gesprochen. Und als ich sah, daß er tatsächlich eines von ihren scheußlichen Bildern gekauft hatte, war es für mich nicht weiter schwierig zu folgern, daß er unser Mann war.«
    »Ich spreche nicht von diesem Fall«, sagte Lynley. »Ich spreche von Essex.«
    »Oh.« Barbara hatte unerklärlicherweise das Gefühl, ganz klein zu werden. »Ach so«, sagte sie. »Essex.«
    »Ja, Essex. Ich habe versucht, die Entscheidung, die Sie an dem Tag getroffen haben, vom Ausgang der Sache zu trennen. Ich beharrte auf dem Standpunkt, daß das Kind vielleicht auch dann am Leben geblieben wäre, wenn Sie nicht eingegriffen hätten. Aber Sie konnten sich nicht den Luxus erlauben, Berechnungen über die Entfernung des Boots von dem Kind anzustellen und über die Möglichkeiten, ihm einen Rettungsring zuzuwerfen. Ihnen blieb nur eine Sekunde Zeit, um zu entscheiden, was Sie tun sollten. Und dank der Entscheidung, die Sie getroffen haben, ist das kleine Mädchen mit dem Leben davongekommen. Ich hingegen, der Stunden Zeit hatte, um mir über Andy Maiden und seine Frau Gedanken zu machen, habe dennoch in ihrem Fall die falsche Entscheidung getroffen. Ich habe Andy in den Tod getrieben. Sie haben dem Kind das Leben gerettet. Man kann die Situation drehen und wenden, wie man will, ich weiß, welchen Ausgang ich lieber zu verantworten hätte.«
    Barbara wandte sich ab und sah zum Haus hinüber. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie hätte ihm gern gesagt, daß sie nächtelang wachgelegen und tagelang nervös herumgewandert war, während sie auf den Moment gewartet hatte, wo er sagen würde, daß er verstand und guthieß, was sie getan hatte. Aber nun, da dieser Moment endlich gekommen war, brachte sie die Worte nicht über die Lippen. Statt dessen murmelte sie: »Danke. Danke, Inspector«, und schluckte.
    »Barbara! Barbara!« schallte es von der kleinen Terrasse vor dem Haus herüber. Hadiyyah stand auf der Bank neben der Terrassentür zu der Wohnung, in der sie mit ihrem Vater lebte.
    »Guck doch mal, Barbara!« jubelte sie und hüpfte auf und nieder.
    »Ich hab meine neuen Schuhe. Dad hat gesagt, ich brauch nicht bis November zu warten. Hier, sieh doch nur! Ich hab meine neuen Schuhe!«
    Barbara ließ das Fenster herunter.
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