Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und wieder Carmel

Und wieder Carmel

Titel: Und wieder Carmel
Autoren: Hellen May
Vom Netzwerk:
über Claires letzte SMS.
    Durch den Jetlag wache ich früh auf,
dusche, ziehe mir eines der kurzen Sommerkleider an, die ich extra mit Claire
zusammen gekauft hatte und gehe nach unten in die Küche. Victoria sitzt am
Tisch und liest die Zeitung.
„Guten Morgen, Victoria.“
„Guten Morgen Schätzchen, du bist ja schon wach.“
„Ja, ich kann nicht mehr schlafen.“
„Komm setz dich, möchtest du Frühstück?“
„Gern.“ Victoria gießt mir einen großen Becher Kaffee ein. Ich verfolge die
Nachrichten, die im kleinen Fernseher auf dem Küchenregal laufen bis Victoria
Pancakes, Eier und Speck vor mich hinstellt.
„Erzähl Schätzchen, bevor die anderen kommen, wie geht es dir?“
„Sehr gut“, nuschle ich, weil ein großes Stück Pancake meinen Mund ausfüllt.
„Ja? Was machst du so? Bist du verheiratet, hast du Kinder?“
„Ich arbeite bei einer Versicherung, bin dort Abteilungsleiterin. Verheiratet
bin ich nicht, Kinder habe ich auch keine.“
„Eine Karrierefrau also?“
„Ja, der Job ist mir schon sehr wichtig. Wie geht es euch?“
„Sehr gut Schätzchen. Endlich bald einen Sohn unter der Haube und ich erhoffe
mir eine Schar von Enkelkindern.“
„Ist denn schon etwas unterwegs?“
„Nein, nein. Jedenfalls weiß ich nichts davon.“ Dann sieht sie mich mitfühlend
an. „Ist es wirklich ok für dich, hier zu sein? Ich war mir nicht sicher, als
Rita-Sue vorschlug, dich hier unterzubringen.“
„Es ist ok. Ich bin erwachsen und es ist alles schon so lange her“, beruhige
ich sie und auch mich ein wenig, denn ich habe keine Ahnung, was noch alles auf
mich zukommen wird.
Es klopft an der Haustür und jemand öffnet sie.
„Hallo, ist jemand da?“, ruft eine Frauenstimme, die mir bekannt vorkommt . „Ja, Schätzchen, hier in der Küche.“
„Du bist da“, ruft Amy Larson, die Tochter von Glen und Jamie, die mir damals
eine wunderbare Gastschwester gewesen war.
„Amy!“, rufe ich erfreut und springe von meinem Platz auf, um sie zu umarmen.
Amy und ich hatten uns damals vom ersten Augenblick an gut verstanden. Die
kleine dunkelhaarige, braun gebrannte Amy, das ganze Gegenteil zu mir
dunkelblond, groß und blass, half mir damals, mich in ihrer amerikanischen
Kleinstadtwelt zurechtzufinden. Den ersten Schultag zum Beispiel hätte ich ohne
sie mit Sicherheit nicht überstanden.
Es war eine komplett andere Welt und so viele neue Eindrücke prasselten auf
mich ein. Amy hatte einen genauen Plan, den sie mit mir gemeinsam abarbeitete.
Sie begleitete mich erst zum Rektor, wo ich freundlich begrüßt wurde. Dann ging
es weiter zu den Schließfächern. Ein passender Ort, denn dort ereignete sich an
diesem, ersten Tag ein Schlüsselmoment für mich. Genau dort sah ich Alex Walker
das allererste Mal.
Amy erklärte mir gerade die Kombination für mein Schloss, die sie von einem
Zettel ablas: „Erst drei, dann acht …“, redete sie laut. Ich stand neben ihr
und versuchte, ihr aufmerksam zuzuhören, aber die Geräusche und Bewegungen auf
dem Flur lenkten mich total ab. Ich drehte mich um und lehnte mich mit dem
Rücken an die Schränke. So fühlte ich mich sicherer. Mein Herz schlug schneller
als normal, denn die Flut an neuen Informationen überforderte mich mehr als ich
gedacht hatte. Hektisch sah ich mich um.
„Hey, alles ok?“, fragte Amy, die meinen leicht panischen Gesichtsausdruck
bemerkt hatte.
“Ja, alles ok.“
Amy drehte sich ebenfalls um, lehnte sich neben mich an die Schließfächer und
nahm meine Hand. Dann begann sie mir kleine Details über jeden Schüler zu
erzählen, der starrenderweise an uns vorbei lief. Die
eine hatte ein Essproblem, die andere ein Hygieneproblem, der Nächste ein
Elternproblem. Ich lächelte. Es beruhigte mich tatsächlich ein wenig und ich
atmete tief durch. Bei all den Problemkindern konnte ich nicht wirklich groß
auffallen, nur weil ich neu war, dachte ich.
Dann kam Scott mit drei Freunden vorbei. Amy beschrieb auch sie. Scott als den
Basketballstar, Peter als wirklich netten Typen, Marc als Scotts Schatten und
Alex als jemanden, der nicht ganz in die Gruppe hinein passte. Ich fragte nach,
warum?
„Na ja, er ist eher der ruhige Typ. Er spielt zwar auch Basketball, spricht
aber nur wenig. Und wenn er etwas sagt, haben die meisten ein Problem, es zu
verstehen.“
„Wie meinst du das, hat er Sprachschwierigkeiten?“
„Nein“ Amy kicherte, „das genaue Gegenteil. Er ist unglaublich intelligent und
streut noch dazu gerne mal eine gehörige Prise Sarkasmus ein,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher