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Und wieder Carmel

Und wieder Carmel

Titel: Und wieder Carmel
Autoren: Hellen May
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nach meinem Anruf betrat Claire den fensterlosen
Besprechungsraum. „Und?“, fragte sie keuchend, weil sie vermutlich den Weg
hierher gerannt war.
„Sie heiratet Alex.“
„Echt jetzt? Und sie lädt dich dazu ein. Warum?“
„Weil ich ihr das Leben gerettet habe.“
„Ok, das ist ein Argument. Und wirst du hinfliegen?“
„Ja“, sage ich fest entschlossen. „Ein letztes Mal. Kommst du mit?“
„Du weißt doch, ich fliege in der Zeit mit meiner Mutter nach Schottland. Sie
killt mich, wenn ich das jetzt abblase. Aber ich werde via Handy immer bei dir
sein, versprochen.“
„Ok. Dann flieg ich allein.“
„Nimm Chris mit, vielleicht schafft er es, da mal einen Schritt weiter zu
gehen.“ Claire grinste schelmisch. Christopher Scharp, ein Kollege aus der
IT-Abteilung, war ein wirklich hübscher Mann, groß, schlank, sportliche Figur,
dunkle Haare und braune Augen. Claire versicherte mir, dass er seit seinem
ersten Tag mit mir flirtete. Ich hatte das erst Monate später mitbekommen, als
er versuchte die Fehlermeldung auf meinem Rechner zu beheben. Da erzählte er
mir auch, dass er frisch von der Uni kam und zarte dreiundzwanzig Jahre alt
war.
„Chris?“, fragte ich irritiert.
„Lieber nicht. Der Arme denkt dann, dass du ihn als Begleitung mitnimmst,
stattdessen ist er nur ein Alibifreund, damit du neben diese Rita-Sue nicht
alleine stehen musst, während sie mit deinem Ex zum Altar schreitet.“
„Claire, das ist nicht sehr hilfreich.“
„ Tschuldige , meine Fantasie geht grad wieder mit mir
durch. Ok. Anderes Thema, lass uns mal überlegen, was du alles mitnehmen
musst?“
„Es sind noch vier Wochen bis dahin.“
„Die sind schneller um, als es dir lieb ist. Also, du brauchst ein traumhaftes
Kleid, eins, wo selbst die Braut neidisch wird. Dazu passende Schuhe und besser
noch ein Reservekleid oder zwei. Man weiß ja nie.“ Claire grinste wieder schelmisch
und ich wusste genau, woran sie dachte.
„Bräutigam ausspannen ist nicht, Claire.“
„Wer weiß, wer weiß.“
    Ich steige
in Los Angeles in den Anschlussflieger nach Monterey, dem Flughafen der Carmel
am nächsten liegt und beim Abflug denke ich, Rita-Sue will wirklich meinen
Exfreund heiraten. Normalerweise würde mich das nicht umhauen, wenn einer
meiner Exfreunde heiratet und ich vermute, ich würde auch die eine oder andere
Einladung bekommen, aber bei Alex Walker, da ist das was ganz anderes.
Nach circa einer Stunde landet der Flieger auf dem Flughafen in Monterey.
Rita-Sue hatte mir zugesichert, dass ich hier abgeholt werde und so stehe ich
da mit meinem großen Koffer in der einen und meiner Handtasche in der anderen
Hand. Ich schaue mich um und bleibe bei einem großen Transparent mit meinen
Augen hängen. Auf diesem Transparent ist ein übergroßes Foto von mir als
Siebzehnjährige, mit langen mittelblonden Haaren und blassem Gesicht. Ich gehe
auf den Mann zu, der das für jedermann unübersehbare Plakat hochhält und
erkenne ihn: „Scott?“, frage ich vorsichtig . „Anna, herzlich willkommen zurück, Kleines“, sagt er, lässt das Bild
fallen und umarmt mich herzlich.
„Dankeschön.“ Und los geht die Umarmerei, denke ich.
„Rita-Sue hat mich gebeten dich abzuholen, sie alle sind sehr aufgeregt wegen
der Hochzeit. Hast du alles, können wir los?“, redet er drauf los, als hätten
wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen.
„Ja, ich habe alles.“
„Gib mir deinen Koffer, den nehme ich“, sagt Scott.
„Vielen Dank.“
Scott greift nach meinem Gepäck und wir gehen gemeinsam los. Aus dem einstigen
sportlichen schlanken Basketballspieler mit dunklem vollem Haar war ein
stattlicher Glatzkopf mit Bierbauch und Doppelkinn geworden. Ich erinnere mich,
wir hatten uns damals in der Carmel Highschool kennengelernt. Er war der
Sportstar der Schule und ich die Neue aus einem fernen Land. Er verlor keine
Zeit und fragte schon am ersten Wochenende nach einer Verabredung. Was sagt
man, wenn man siebzehn Jahre alt und in einem fremden Land ist und dazu keine
Ahnung hat, wie es dort funktioniert? Man sagt der Verabredung zu.
Diese Verabredung mit Scott war sehr ungewöhnlich und bedurfte meiner Meinung
nach keinerlei Wiederholung. Er redete pausenlos von Sport, Autos und seiner
Großmutter. Der Sport und die Autos langweilten mich schrecklich. Aber die
Weisheiten seiner Großmutter, die er mir ungefiltert zuteilwerden ließ, machten
mich sprach- und fassungslos. So erzählte mir Scott, dass seine Großmutter die
Meinung vertrat, die Frau
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