Und wieder Carmel

finden die Kirchenprobe und auch das Probeessen im
Restaurant statt. Aber zuerst wartet die Schneiderin auf dich, um das Kleid
anzupassen.“
„Kleid anpassen?“, frage ich ungläubig . „Ja.“ Rita-Sue nimmt meine Hände an ihre Brust und sagt: „Liebste Anna.
Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das du meine Trauzeugin bist.“
Ich schlucke und sehe mich hilflos um. Victoria und Amy nicken zustimmend . „Wieso ich?“
„Weil du mein Schutzengel bist. Durch dich hat sich alles verändert, ich hab
mich verändert. Wenn du meine Trauzeugin bist, werde ich eine gute Ehe führen.“
„Rita-Sue, das ist zu viel der Ehre, ich …“, ringe ich nach Worten. Spinnst
du? Ich mach dir doch nicht die Trauzeugin. Es ist mir doch egal, wie deine Ehe
wird. Bestenfalls kriegt ihr euch schon nach einer Woche in die Haare.
„Nein, ist es nicht. Bitte Anna, ich wünsche es mir so sehr.“
„Und was ist mit Vicky, seid ihr nicht mehr beste Freundinnen?“
„Doch, natürlich. Aber sie sieht es genauso, denn du hast mich gerettet, sie
stand nur daneben. Dafür hat sie all die Pflichten für den
Junggesellinnenabschied übernommen, dich möchte ich für die Kirche. „Ich bin
nicht mal getauft.“ Wieso bin ich nur hergefahren , ärgere ich mich . „Das macht nichts. Bitte, bitte“, bettelt Rita-Sue.
Nein , auf keinen Fall . „Ok, ok, aber ich werde mein Kleid
anziehen“, antworte ich, obwohl ich es gar nicht wollte. Verdammt . „Ja, natürlich, wie du möchtest.“
Sie umarmt mich wieder. Das muss dringend aufhören. Zu viel Körperkontakt.
„Komm Anna, hol deine Sonnenbrille ich muss dir was ganz Wichtiges zeigen.“ Ich
bekomme Angst.
„Kommt Amy auch mit?“, frage ich, bevor ich die Küche verlasse.
„Natürlich.“ Rita-Sue strahlt über das ganze Gesicht. Wie ein
Honigkuchenpferd, denke ich.
Schnell laufe ich die Treppe nach oben, gehe in mein Zimmer, stecke mein Handy
in meine kleine Tasche, nehme die Sonnenbrille und laufe wieder hinunter. Amy
wartet an der Tür und wir gehen zu Rita-Sue nach draußen. Dort steht ein großer
weißer Geländewagen. Wow , denke ich, Alex muss gut verdienen.
Während der Fahrt tippe ich eine SMS an Claire: Hilf mir, ich soll ihre
Trauzeugin sein!
Rita-Sue sitzt am Steuer des Wagens und erzählt von der geplanten
Hochzeitsreise nach Hawaii. Das interessiert mich so gar nicht und ich starre
angespannt auf mein Handy . Claire antworte schon, los! Versuche ich per
Gedankenübertragung mein Handy zu beeinflussen. Endlich bekomme ich eine
Antwort: War gerade im Auto und die Cops fuhren die ganze Zeit neben mir, die
sehen das so gar nicht gern, wenn man am Handy rumdaddelt. Also, du sollst die
Trauzeugin sein für diese Rita? Du kannst immer noch verschwinden!
Ich: Verschwinden ist im Moment ganz schlecht. Ich sitze mit ihr in einem
weißen Escalade, wie dekadent und wir fahren irgendwo hin.
Claire: Irgendwohin? Sie will dich killen, die letzte Hürde aus dem Weg
schaffen, von wegen Trauzeugin. Sieh nach hinten, hat sie ne Schaufel und
Plastikfolie im Auto?
Verwirrt schaue ich nach hinten und antworte: Nein, ich sehe jedenfalls nichts.
Wieso denn Schaufel und Plastikfolie?
Claire: Das ist Standardausrüstung um lästige Personen zu beseitigen.
Ich: Sie wird mir schon nichts tun, du guckst zu viel fern.
Claire: Das musst du gerade sagen, für wen nehme ich denn all die Serien auf,
hä?
Ich: Ich muss Schluss machen, wir haben angehalten.
Claire: Sei vorsichtig HDL.
Wir steigen aus und eine kleine, pummelige blonde Frau kommt aus dem Haus
gestürmt, vor dem wir angehalten haben. „Anna, Anna!“, ruft sie mehrfach. Sie
begrüßt mich mit einer innigen Umarmung und ich überlege, wer ist das und
warum umarmt sie mich?
„Du erkennst sie nicht, oder?“, fragt Rita-Sue. Die junge blonde Frau starrt
mich enttäuscht an.
„Nein, tut mir leid“, gebe ich offen zu.
„Das ist Vicky, Vicky Newberry, heute heißt sie Seavers.“
„Oh.“, sage ich und erinnere mich an Scotts Worte. Vicky nimmt mich erneut in
den Arm und ich denke, wann hat die mich je umarmt? Nie . Ich lasse die
überraschenden Gefühlsausbrüche von Vicky über mich ergehen und lächle
gespielt.
Ich überlege, wann ich Vicky damals kennengelernt hatte. Ich glaube, das war
wieder nach einem Basketballspiel, als Rita-Sue zum ersten Mal ihr böses
Gesicht zeigte und ich Alex das erste Mal sehr nahe kam: Amy und ich standen
auf dem Parkplatz der Schule und warteten auf Scott, der uns mit zum Strandhaus
nehmen wollte. Alex