Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition)
Autoren: Kate Kae Myers
Vom Netzwerk:
worden.
    Sobald ich an Jack dachte, kamen die Gefühle wieder hoch. Drei Wochen war ich in tiefer Trauer um ihn gewesen und hatte das Gefühl gehabt, mein Herz würde von einem schweren Stein zerdrückt. Bis der Brief kam.
    »Also, was zur Hölle ist mit dir los?«, fragte Noah aus der Sofaecke.
    »Hör auf zu fluchen.«
    »Ach, bist du noch immer so prüde?« Als ich nicht darauf reagierte, fügte er hinzu: »Die Hölle ist eigentlich ein Ort und kein Schimpfwort.«
    Es war eine altbekannte Diskussion. Schweigend saß ich da. An meinem Hals spürte ich die Nachwirkungen seines Würgegriffs. Meine Stimme klang rau und damit fast ein bisschen sexy, was mich störte. Auch wenn ich Noah nicht ansah, wusste ich, dass er seinen bohrenden Blick auf mich gerichtet hatte
    »Na gut, was zum Himmel ist mit dir los?«
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch die nassen Haare. »Ich hatte einen harten Tag.«
    »Das meine ich nicht, Jocey«, sagte er, meinen alten Spitznamen benutzend. »Du siehst vollkommen anders aus als damals. Was soll die Schminke und dazu das blonde Haar?«
    »Ich bin älter geworden! Was glaubst du denn? Dass ich für immer das linkische kleine Mädchen bleibe?« Mein Blick huschte zu den Fenstern, hinter denen es dunkel war. Regentropfen liefen daran herunter wie Tränen. »Mach bitte die Vorhänge zu.«
    Noah zögerte einen Moment, bevor er gehorchte. Ruckartig zog er sie zu und setzte sich wieder. »Wenn die beiden kleinen Muttermale an deinem Hals nicht gewesen wären, hätte ich nicht geglaubt, dass du es bist. Sie sehen aus wie ein Vampirbiss. Früher habe ich sie immer angestarrt und mir vorgestellt dich dort zu beißen.«
    Sofort musste ich an Jacks und meine erste Begegnung mit Noah denken. Er hatte im Jungenschlafraum von Seale House neben einem schwarzen Müllsack gekniet, den er zu einem großen Rechteck aufschnitt. Dann hatte er daraus mit Hilfe von durchsichtigem Paketband einen Umhang gebastelt. Nach all den Jahren konnte ich mich jetzt, vor dem Kamin, nicht mehr daran erinnern, wie lange seine Dracula-Phase gedauert hatte. Ich weiß nur noch, dass sie irgendwann in die Darth-Vader-Luke-Skywalker-Phase übergegangen und noch später durch einen schwarzen Ninja-Kämpfer abgelöst worden war.
    Unwillkürlich legte ich die Finger an den Hals. »Das höre ich zum ersten Mal.«
    Er lächelte, doch es war kein nettes Lass-uns-wieder-Freunde-sein-Grinsen. Wenn es bei mir etwas auslöste, dann Unbehagen. Ich warf das Handtuch zur Seite, mit dem ich mir die Haare trocken gerubbelt hatte. Die Wärme des Kamins tat mir gut.
    »Ich bin überrascht, dass du zurückgekommen bist. Ich dachte, du hasst diese Stadt.«
    »Ich hatte es eigentlich auch nicht vor. Aber dann, nach dem Unfall …« Mir versagte die Stimme und ich konnte den Satz nicht beenden. Stattdessen lauschte ich dem leisen Rauschen des Regens.
    »Jocelyn, das mit Jack tut mir leid. Sehr leid.«
    In meiner Kehle bildete sich ein schmerzhafter Kloß. Nickend biss ich mir auf die Unterlippe.
    »Als Jack und ich gechattet haben«, fuhr Noah fort, »erzählte er mir, dass ihr beide, ein Jahr nachdem ihr Watertown verlassen habt, wieder in einer Pflegefamilie gelandet und dieses Mal dort geblieben seid.«
    »Die Habertons sind gute Pflegeeltern. Mit ihnen ist es ganz anders als in Seale House. Sie sind eine große katholische Familie und wir wohnen mit ihnen in Troy vor den Toren von Albany. Brent ist dort Arzt im Krankenhaus. Marilyn ist Hausfrau und Mutter und sie ist großartig. Beide sind großartig.«
    »Du nennst sie beim Vornamen?«
    »Ja, das haben sie selbst vorgeschlagen, da wir so viel älter waren als ihre anderen Kinder. Sie haben viel für uns getan. Sie haben uns sogar auf eine spezielle technisch orientierte Privatschule geschickt, damit Jack sich auf das Programmieren konzentrieren und ich meine Kenntnisse im grafischen Bereich vertiefen konnte. Vormittags bin ich zur Schule gegangen und nachmittags habe ich ein Praktikum gemacht. Damit bin ich allerdings vor zwei Wochen fertig geworden und jetzt bin ich wieder im normalen Schulturnus.«
    »Hast du bei einem Grafikdesigner gearbeitet?«
    Ich nickte. »Jack hat im Prinzip das Gleiche gemacht, nur dass er in der Zeit für ISI programmiert hat.«
    »Er hat mir ein bisschen von eurer Schule und euren Pflegeeltern erzählt. Wissen sie, dass du hier bist?«
    »Nein, wir haben Frühjahrsferien und ich wollte eigentlich mit Freunden zelten gehen, habe dann aber kurzfristig abgesagt und bin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher