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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du
Autoren: Mary Higgins Clark
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schoß.
    Während Richard sich auf eine lange Nachtwache einrichtete, wurde ihm bedrückt klar, daß er den Mann wohl kaum würde sehen können, wenn er kam, um das Geld zu holen. Die Straße war unbeleuchtet, und dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Falls er Glück hatte, erkannte er vielleicht die Automarke. Ich sollte doch die Polizei anrufen, dachte er. Möglicherweise ist das unsere einzige Gelegenheit, die Entführer bis zu ihrem Versteck zu verfolgen.
    Er seufzte. Aber wenn er die Polizei verständigte und etwas schieflief, würde er sich das nie verzeihen. Und auch Giselle würde ihm nicht vergeben.
    Er erinnerte sich an die Klavierstunden, die er auf Wunsch seiner Mutter mit neun Jahren hatte nehmen müssen. Eines der wenigen Lieder, die er schließlich hatte einigermaßen fehlerfrei spielen können, war »Abends, wenn ich schlafen geh«. Manchmal hatte sich seine Mutter neben ihn auf die Klavierbank gesetzt und mitgesungen, während er spielte:
    Abends, wenn ich schlafen geh
    Vierzehn Englein um mich stehn …
    Bitte laß die Engel auch unseren kleinen Jungen beschützen, betete Richard leise und hörte dabei Giselles leises Schluchzen.

    Das Essen war schlicht: Salat, Baguette und Spaghetti mit einer Sauce aus Tomaten und Basilikum. Der Junge saß zwischen Henry und Sunday am Tisch im kleinen Speisezimmer. Er breitete zwar die Serviette auf seinem Schoß aus, reagierte aber nicht, als Sims ihm den Brotkorb hinhielt, und rührte keinen Bissen an.
    »Aber er muß doch Hunger haben«, sagte Henry. »Es ist fast halb acht.« Er schob eine Gabel Nudeln in den Mund und lächelte Jacques zu. »Hmmmm … köstlich.«
    Jacques erwiderte ernst seinen Blick und senkte dann den Kopf.
    »Vielleicht möchte er lieber ein Brot mit Erdnußbutter und Marmelade«, schlug Sims vor. »Das aßen Sie als Kind doch auch immer am liebsten, Sir.«
    »Beachten wir ihn einfach nicht und schauen wir, was dann passiert«, meinte Sunday. »Bestimmt ist er völlig verängstigt. Aber ich stimme dir zu, daß er hungrig sein muß. Wenn er nicht bald zu essen anfängt, bekommt er eben etwas anderes. Sims, versuchen wir es mal mit dem Erdnußbutterbrot. Und statt der Milch geben wir ihm Cola.«
    Sie wickelte die Spaghetti um die Gabel. »Henry, findest du es nicht auch komisch, daß noch niemand das Kind bei der Polizei als vermißt gemeldet hat? Wenn er in der Nähe wohnt, müssen seine Eltern doch schon bemerkt haben, daß er weg ist. Und normale Eltern würden in so einem Fall die Polizei rufen. Die Frage lautet, wie er überhaupt hierhergekommen ist. Glaubst du, jemand hat ihn absichtlich vor unserer Tür ausgesetzt?«
    »Unwahrscheinlich«, meinte Henry. »Dieser Jemand müßte ein Hellseher sein. Wie konnte er wissen, daß wir den Leibwächtern ein paar Tage freigegeben haben? Denn die hätten ihn schon am Tor abgefangen und befragt. Bestimmt ist der Kleine aus irgendeinem Grund, den ich auch nicht nachvollziehen kann, einfach noch nicht vermißt worden.«
    Sunday warf einen raschen Blick auf Jacques und sah dann Henry an. »Nicht hinschauen«, flüsterte sie.
    »Aber ein gewisser junger Mann hat beschlossen, endlich etwas zu sich zu nehmen.«
    Während der restlichen Mahlzeit plauderte sie mit Henry, wobei beide taten, als wäre Jacques nicht vorhanden.
    Der Junge leerte seinen Teller Spaghetti, verschlang den Salat und trank das Glas Cola aus.
    Sunday bemerkte, daß er den Brotkorb betrachtete, den er jedoch nicht erreichen konnte. Mit einer beiläufigen Bewegung schob sie ihn näher an Jacques heran. »Weißt du, was mir auffällt, Henry?« fragte sie. »Er wollte ein Stück Brot, konnte aber nicht fragen und hat auch nicht einfach danach gegrapscht. Eines ist klar, Henry: Dieses Kind hat ausgezeichnete Tischmanieren.«
    Nach dem Essen gingen sie wieder in die Bibliothek, um den Baum fertigzuschmücken. Als Sunday auf den letzten Karton mit Christbaumschmuck zeigte, reichte Jacques ihr die einzelnen Stücke. Sunday bemerkte, wie vorsichtig er sie von den Pappschablonen löste. Das macht er sicher nicht zum ersten Mal, dachte sie. Nach einer Weile jedoch sah sie, daß ihm die Augen zufielen.
    Als die Schachtel leer war und das letzte Stück am Baum hing, sagte sie: »Ich glaube, da muß jemand ins Bett. Wo bringen wir ihn unter?«
    »Liebling, in diesem Haus gibt es mindestens sechzehn Schlafzimmer.«

    »Schon, aber wo hast du denn geschlafen, als du klein warst?«
    »Im Kinderzimmer.«
    »Und das Kindermädchen war
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