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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du
Autoren: Mary Higgins Clark
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Sir. Wir müssen ihn ins Revier mitnehmen, denn wir brauchen ein Photo von ihm und seine genaue Personenbeschreibung für die Suchmeldung, die wir herausgeben wollen. Und dann ist es Sache des Jugendamtes zu entscheiden, ob er bei Ihnen bleiben darf, bis seine Eltern kommen.«
    Maman hatte ihm schon vor langer Zeit beigebracht, daß er sich, wenn er einmal verlorenging, an einen gendarme wenden und ihm seinen Namen, seine Adresse und seine Telephonnummer geben sollte. Jacques war sicher, daß dieser Mann ein gendarme war, aber Maman und Richard hatten ihn Lily überlassen, und er wollte sie niemals wiedersehen.
    Die Dame erinnerte ihn an Maman. Sie hatte dieselbe Haarfarbe und lächelte auch genauso. Und sie war nett.
    Nicht so wie Lily, die nie lächelte und ihn gezwungen hatte, die unbequemen, engen Sachen anzuziehen, die er jetzt trug. Jacques war müde und hungrig und hatte große Angst. Er wollte zurück nach Paris zu Maman und Grandpère, wo ihm nichts passieren konnte.
    Bald war la Fête de Noël. Im letzten Jahr hatte Richard ihm eine Spielzeugeisenbahn mitgebracht. Jacques wußte noch genau, wie sie zusammen die Schienen verlegt und den Bahnhof, die Brücken und die kleinen Häuser entlang der Strecke aufgestellt hatten. Richard hatte versprochen, die Eisenbahn im neuen Haus wieder aufzubauen. Aber Richard hatte ihn angelogen.
    Jacques spürte, wie ihn jemand hochhob. Sie würden ihn zurück zu Lily bringen. In Todesangst schlug er die Hände vors Gesicht.
    Als Lily zwei Stunden später noch immer nicht erschienen war und der gendarme ihn wieder zu dem großen Haus fuhr, ließ Jacques’ Angst allmählich nach. Er wußte, daß Lily nicht in diesem Haus war. Hier war er in Sicherheit. Tränen der Erleichterung liefen ihm die Wangen hinab. Die Tür ging auf, und der Mann, der aussah wie Grand-père führte ihn in das Zimmer, wo der Weihnachtsbaum stand. Der große Mann und die Dame waren auch da.
    »Das Kind wurde untersucht«, erklärte der Polizist Henry und Sunday. »Der Arzt sagt, er sei kerngesund und mache keinen verwahrlosten Eindruck. Er hat zwar noch kein Wort gesprochen und wollte auch nichts essen, aber man kann noch nicht sagen, ob er krank oder nur verängstigt ist. Wir haben sein Photo und seine Personenbeschreibung über Fernschreiber durchgegeben. Bestimmt werden sich seine Eltern bald melden. Das Jugendamt erlaubt, daß er bis dahin bei Ihnen bleibt.«
    Jacques verstand nicht, was der gendarme sagte, aber die Dame, die aussah wie Maman, ging in die Knie und legte den Arm um ihn. Jacques spürte, daß sie nett war, und in ihrer Nähe fühlte er sich geborgen – fast so wie damals, als Maman ihn noch liebgehabt hatte. Der dicke Kloß in seinem Hals löste sich allmählich auf.
    Sunday spürte, daß er zitterte. »Wein’ ruhig«, murmelte sie und streichelte sein weiches, braunes Haar.
    Hilflos sah Richard Dalton seine Frau an, deren Blick starr auf das Telefon gerichtet war. Offenbar stand Giselle unter Schock. Ihre Pupillen waren geweitet, ihre Augen blickten stumpf. Als die Stunden verstrichen, und Jacques’ Entführer sich nicht meldeten, wurde die innere Stimme in Richard immer drängender: Er mußte die Polizei verständigen. Doch Giselle wurde bei diesem Vorschlag fast hysterisch. »Non, non, non, das darfst du auf keinen Fall!
    Dann werden sie ihn töten. Wir müssen tun, was sie verlangen, und auf Anweisungen warten.«
    Er hätte bemerken müssen, daß etwas nicht stimmte, als die Frau so plötzlich vor der Tür stand, sagte sich Richard.
    Schließlich hatte ihm die Personalvermittlung eindeutig mitgeteilt, daß das Kindermädchen über Weihnachten verreist sei und erst am 27. Dezember ihren Dienst antreten könne. Wir hätten noch einmal nachfragen sollen, dachte er. Es wäre so einfach gewesen, die Agentur anzurufen und sich eine Bestätigung zu holen. Aber woher hatte die Frau, die sich Lily La-Monte nannte, gewußt, daß die Familie ein Kindermädchen suchte? Anscheinend war alles sorgfältig geplant gewesen: Sie sollte Jacques bei der erstbesten Gelegenheit entführen. Giselles Vater hatte sie überzeugt, der Frau zu glauben, und sie gedrängt, übers Wochenende nach New York zu fahren. Er würde entsetzt sein, wenn er erfuhr, daß Jacques etwas zugestoßen war.
    Nein, es war nicht seine Schuld, überlegte Richard. Wir selbst hätten Jacques dieser Frau anvertraut, da wir heute zu dem Geschäftsessen mußten. Er schüttelte den Kopf. Es war jedenfalls zu spät, sich Vorwürfe zu
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