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Und tot bist du

Und tot bist du

Titel: Und tot bist du
Autoren: Mary Higgins Clark
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machen.
    Aber er mußte etwas unternehmen. Die Untätigkeit trieb ihn in den Wahnsinn. Sicher ging es nur um Geld, und sie würden Jacques morgen zurückbekommen.
    Morgen.
    An Heiligabend.
    Er seufzte. Möglicherweise würde es auch länger dauern.
    Immerhin war allgemein bekannt, daß er eine beträchtliche Summe als Bonus erhalten hatte. Gewiß hatten es die Entführer auf die sechs Millionen Dollar abgesehen. Doch sicher erwartete niemand, daß er eine derart gewaltige Summe von einer Minute auf die andere lockermachen konnte. Aus dem Geldautomaten konnte er höchstens ein paar Hunderter herausholen.
    Der oder die Kidnapper planten deshalb wahrscheinlich Jacques über Nacht festzuhalten. Wenn sie morgen vormittag anriefen, konnte er das Geld in bar abheben. Aber wieviel wollten sie? Welche Summe würden sie fordern?
    Falls es sich um einen Millionenbetrag handelte, würde die Transaktion einige Tage in Anspruch nehmen. Keine Bank hatte eine solche Menge Bargeld auf Lager. Und eine Abhebung dieser Größenordnung würde unweigerlich Fragen nach sich ziehen.

    Inzwischen weinte Giselle. Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Lautlos flüsterte sie den Namen ihres Sohnes vor sich hin: Jacques. Jacques.
    Es ist alles meine Schuld, dachte Richard. Giselle und Jacques haben mich in dieses Land begleitet, und es hat ihnen nur Unglück gebracht. Er hielt das Herumsitzen nicht mehr aus, und ihm fiel sein Versprechen an Jacques ein, seine Modelleisenbahn noch vor Weihnachten aufzubauen. Richard sah sich um. Die Schachteln standen in einer Ecke des Wohnzimmers.
    Richard stand auf öffnete die erste Schachtel und holte einen Schienenstrang heraus. Als Jacques vor einem Jahr die bunt eingewickelten Kartons in Grandpères Haus ausgepackt hatte, hatte Richard ihm erklärt, der Weihnachtsmann habe sein Geschenk schon früher gebracht, damit sie alles gemeinsam aufstellen konnten. Nachdem Schienen, Züge, Brücken und Häuser standen, hatte Richard dem Jungen den Schalter gezeigt.
    »Damit bringt man ihn zum Fahren«, hatte er erklärt.
    »Versuch es mal.«
    Als Jacques den Hebel umlegte, waren die Lichter in den kleinen Häusern angegangen, der Zug pfiff, die Schranken senkten sich. Dann hatte Jacques den Hebel vorsichtig weiter heruntergedrückt. Die antike Lionel-Lokomotive mit den sechs Waggons ruckte kurz und schoß dann vorwärts.
    Der ehrfürchtige Ausdruck auf Jacques’ Gesicht war unbeschreiblich gewesen.
    Halt durch, Jacques, schickte Richard ein Stoßgebet zum Himmel. Ich baue dir deine Eisenbahn zusammen, und du wirst zurückkommen, damit wir gemeinsam damit spielen können.
    Das Telefon läutete. Richard sprang auf und griff zum Hörer, bevor Giselle abnehmen konnte. »Richard Dalton«, meldete er sich rasch.
    Eine leise, heisere, offenbar verstellte Stimme fragte:
    »Wieviel Bargeld haben Sie im Haus?«
    Richard überlegte rasch. »Etwa zweitausend Dollar.«
    Pete Schuler hatte es sich anders überlegt. Vielleicht gab es ja doch noch etwas zu holen.
    »Haben Sie die Polizei informiert?«
    »Nein, ich schwöre.«
    »Gut. Legen Sie das Geld sofort in Ihren Briefkasten.
    Und wehe, wenn Sie aus dem Fenster schauen. Kapiert?«
    »Ja, ja, wir tun alles, was Sie verlangen. Wie geht es Jacques? Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Das können Sie noch früh genug. Wenn Sie das Geld rauslegen, wie ich gesagt habe, kann der Kleine morgen mit Ihnen den Weihnachtsbaum schmücken.«
    »Sorgen Sie gut für ihn. Es darf ihm nichts zustoßen.«
    »Keine Angst. Aber vergessen Sie nicht: Ein Polizist in der Nähe des Hauses, und wir bringen ihn nach Südamerika und lassen ihn dort adoptieren. Verstanden?«
    Wenigstens hatten sie nicht gedroht, ihn umzubringen, dachte Richard. Dann hörte er ein Klicken. Er legte auf und nahm Giselle in die Arme. »Wir bekommen ihn morgen zurück«, sagte er.
    Das Fenster des mittleren Schlafzimmers im ersten Stock befand sich über dem Briefkasten. Richard bezog dort Posten und spähte durch eine Lücke zwischen den Vorhängen. Neben ihm stand das Telefon, das eine lange Schnur hatte. Er wußte, daß Giselle die Anweisungen des Anrufers mit der heiseren Stimme vielleicht nicht verstehen würde. Außerdem war sie kurz vor einem Zusammenbruch. Trotzdem war es ihm gelungen, sie dazu zu bringen, sich auszuruhen. In eine Decke gewickelt, lag sie auf dem Bett neben dem Fenster. Zusätzlich hatte Richard seine Kamera so eingestellt, daß sie auch bei schlechten Lichtverhältnissen scharfe Photos
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