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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman
Autoren: Heyne
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er sich mit Pepe zu dem Fischer Giovanni, der froh war, ihn unversehrt und wohlbehalten wiederzusehen.
    Das Gerücht, dass ein Priester aus Eifersucht den Ehemann seiner Angebeteten erschossen hatte, verbreitete sich bereits wie ein Lauffeuer in Rom. Der Poppolo freute sich auf die öffentliche Hinrichtung, die mit Sicherheit zu einem großen Ereignis werden würde. Die Zutaten zu dem Melodram - Liebe, Eifersucht, Mord - stimmten einfach. Nicht lange, und die öffentliche Version der Geschichte würde als Commedia dell’arte mit den fantastischsten Ausschmückungen auf allen Jahrmärkten zu sehen sein. Prospero schmerzte das Herz, wenn er sich vorstellte, wie selbst der derbste Possenreißer mit vulgärem Witz auf der Bühne seinen Freund Sylvio Valenti Gonzaga geben würde.
    Den Fischersleuten war ihre Erleichterung darüber anzusehen, dass es sich bei jenem unglücklichen Priester nicht um Prospero handelte. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass es ihm gutging, brachte Renata die Kinder ins Bett, und Prospero trat mit Giovanni und Pepe vor das Haus.
    »Hast du herausgefunden, in welche Kloake die Leichen der Mädchen geworfen wurden?«, fragte er.

    Der Fischer wiegte den Kopf hin und her, bevor er sich zu einer Antwort entschloss. »Es ist nicht leicht zu bestimmen. Ich denke, es war die Kloake in Trastevere, die unter dem Pavillon der Farnesina in den Tiber läuft.«
    Das war doch schon mal eine Spur!, dachte Prospero. »Dann lass uns da hinfahren«, sagte er aufgeregt.
     
    Wenig später bestiegen die drei Männer Giovannis Boot und überquerten den Fluss. Wie schwarzer Samt breitete sich das Wasser vor ihnen aus. Die Luft war frisch und klar, und wenn man den Tiber nicht in seiner ursprünglichen Ausdehnung kannte, hätte man glauben können, dass Regen und Hochwasser vorbei wären. Aber in den ufernahen Straßen und Gassen stand das Wasser noch und richtete seine stille Verwüstung an. Der Senat von Rom und die Präfekten der Rioni hatten alle Hände voll damit zu tun, die Toten, die unter ihren eingestürzten Häusern begraben worden waren, zu bergen und den Ausbruch von Seuchen zu verhindern.
    Prospero allerdings hatte eine andere Epidemie zu verhindern, die des Unrechts, die oft nicht weniger tödlich verlief als der Typhus oder die Pest. Giovanni wies den Hilfsauditor auf den Eingang zur Kloake hin, der nicht auf gleicher Höhe mit dem Wasserspiegel lag, sondern zur Hälfte geflutet war. Das Schutzgitter aus Holz fehlte.
    »Kopf einziehen«, rief der Fischer, dann fuhren sie in die Kloake hinein. Sie mussten sich ducken, um nicht gegen das Tonnengewölbe der Decke zu stoßen, das schon bald einem viereckigen Tunnel Platz machte. Der Wasserpegel fiel. Giovanni, der am Ruder saß, deutete mit dem Kopf auf seine Segeltuchtasche. Prospero entnahm ihr ein Öllämpchen und zündete es an. Das Wasser fiel immer weiter ab,
bis das Boot schließlich auflief. Giovanni sprang heraus, und Prospero und Pepe taten es ihm gleich.
    »Wenn etwas beleidigt aufquiekt, dann bist du auf eine Ratte getreten«, scherzte der Fischer.
    Sein Humor erheiterte den Hilfsauditor mitnichten. Er musste sich mit jedem Schritt erneut überwinden, durch die trübe, faulige Brühe zu waten. Es stank nach Abfällen, nach Katzen- und Rattenkadavern und anderem mehr, über das man besser nicht nachdachte. Wenn man aber von all dem absah und nur das Mauerwerk betrachtete, so erstaunte es durch seine erhabene Schönheit. Auf der rechten Seite entdeckten sie jetzt ein Tor. Sie gingen unter dem Bogen hindurch und betraten einen Gang, von dem eine gemauerte Wendeltreppe nach oben führte. Darüber gelangten sie in einen mit Fresken verzierten Saal. In den Boden waren Wasserkessel eingelassen, und an den Wänden sowie in der Mitte des Raumes befanden sich Essen, in denen Glut glomm. Der Schein der Feuer tauchte den ansonsten finsteren Raum in gespenstisches rotes Licht.
    »Die Heimstatt des Teufels«, stieß Giovanni erschrocken hervor.
    »Oder der Vampire«, erwiderte Prospero und zeigte auf das Wandbild, aus dem hochgewachsene Gestalten sie mit glühenden roten Augen anblickten. »Solche Augen habe ich unterwegs schon einmal gesehen. Da gehörten sie Fledermäusen«, flüsterte er dem Fischer zu. Dann ging er an der zentralen Esse vorbei weiter in den Saal hinein und ließ seinen Blick wandern. Im hinteren Teil des Raumes schien es zunehmend dunkler zu werden. Als Prosperos Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte er vor sich
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