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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman
Autoren: Heyne
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hat politische Gründe. Denn auf keiner anderen Ebene droht dem Heiligen Vater Gefahr. Wovor fürchtet sich also Klemens XL? Weshalb will er dem Kaiser zu Diensten sein?«
    Er verstummte kurz, bevor er seinem Assistenten Anweisungen erteilte. »Hör zu, wir gehen getrennt vor: Du bereitest unverzüglich die Akten für das Verfahren vor, während ich meine alten Verbindungen nutze, um herauszufinden, was hier eigentlich vorgeht.«
    »Warum ausgerechnet wir? Es gäbe andere Auditoren, die willfähriger sind. Wenn etwas schnell und problemlos gehen soll, würde ich nicht mich fragen.«
    Capraras Miene verdüsterte sich. »Ganz einfach. Man steckt einem Fremden Diebesgut in die Tasche und beobachtet aus sicherer Entfernung, ob er damit durch die Kontrolle kommt oder es entdeckt wird.«
    »Man kann es nach der Sperre wieder an sich bringen, man kann aber auch rufen: Haltet den Dieb. Man ist immer fein raus.«
    »So ist es. Aber nicht mit uns. Ich werde doch auf meine
alten Tage nicht zu einer Marionette in einer abgefeimten Komödie.«
    »Wenigstens in einer Hinsicht spielt er mit offenen Karten«, spottete der Hilfsauditor bitter.
    »Wer? Albani?«
    »Ja, denn die Chiesa San Rocco ist mir sicher, so oder so!«

4.
    G leich hinter der Piazza Agionale gerieten sie in einen Stau. Narren verstopften die enge Gasse. Caprara und Prospero stiegen aus.
    »Bring die Kutsche zurück«, befahl der Auditor dem Kutscher. »Die wenigen Schritte zum Palazzo della Cancelleria schaffen wir auch zu Fuß. Und gib das Reisebündel von Dottore Lambertini bei seiner Wirtin ab. Er braucht es jetzt nicht mehr.«
    Am liebsten hätte Prospero widersprochen. Stattdessen warf er nur einen wehmütigen Blick auf das Bündel. Wie gerne er doch jetzt auf dem Weg nach Neapel wäre!
    Der Fuhrmann nickte, brummte etwas zur Bestätigung und wendete das Gefährt, um über die Brücke wieder Richtung Borgo und weiter nach Trastevere zu fahren, in den volkstümlichen Stadtteil, der sich so sehr von den übrigen Rioni der Metropole unterschied und in dem Prospero Quartier genommen hatte.
    Die Masken vor ihnen amüsierten sich im Gegensatz zu Prospero köstlich.
    Er konnte ihre Rufe nicht überhören, die sich gegenseitig zu überbieten trachteten in dem Drang, die meisten Lacher auf ihre Seite zu ziehen. Häme, Gemeinheit und schlichte Dummheit wölbten sich wie Warzen aus dem allgemeinen Gelächter. »Du suchst deine Schwester?«, höhnte ein Bass.
    »Nimm meine für einen Scudi die Stunde«, bot ein anderer an, der seiner Stimme nach zu urteilen einem Wiesel gleichen musste.
    »Die Schwester des Scudis ist der Scudi«, scherzte ein
Weiterer. »Er soll zwei Scudi geben, dafür suchen wir ihm auch einen Bruder, der warm ist.«
    »Oh, meine Lenden kennen seine Schwester, sie sind nach einer Woche immer noch lahm«, schrie ein Vierter, sicherlich auch im täglichen Leben ein Angeber. Darauf schien ein Fünfter mit Piepsstimme nur gewartet zu haben.
    »Ich habe deine Schwester gesehen. Sie ritt unter mir! Ein prachtvolle Stute!«
    Plötzlich durchschnitt eine kreischende Frauenstimme die allgemeine Heiterkeit: »Seht euch vor, ehrbare Narren, die kleine Bestie hat ein Messer! Schlagt ihn tot und seine Schwester, die Hure, gleich mit, wenn jemand sie findet!«
    »Tod!«, forderte unerbittlich die Menge. Jemand, der auf einen Spaß mit dem Messer antwortete, gehörte ihrer Meinung nach erschlagen. Caprara bahnte sich einen Weg durch die Menschen, und Prospero folgte ihm. Wie angewurzelt blieb der Hilfsauditor stehen. Das Schauspiel, das sich ihm darbot, überraschte und erschütterte ihn. In der Mitte stand gebückt ein Asket, dessen weiße Toga Blutflecken aufwies. Neben ihm lag am Boden eine zertrampelte Maske, die vermutlich den ehrwürdigen Philosophen Platon dargestellt hatte. Wild wie ein gehetztes Tier blickte er um sich. Prospero vermutete, dass eine der Masken, vielleicht das Wiesel, ihm den Dolch zugespielt hatte, um die Stimmung weiter anzuheizen. Denn dass dieser junge Mann keine Waffe außer seinem Kopf und seiner Feder zu benutzen pflegte, wusste der Hilfsauditor nur zu gut. Der arme Asket war sein guter Freund Velloni.
    Ein kurzes Aufflackern in dessen Augen verriet Prospero, dass er die Leute durchschaute. Offenbar hatte Velloni beschlossen, die Menge so lange mit dem Messer zu provozieren, bis sie ihn schließlich vor Wut in Stücke reißen würde.
Welch verquerer, welch grausamer Vorsatz. Prospero gefror das Blut in den Adern vor dem Ausmaß der
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