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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe
Autoren: Gisbert Haefs
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auf die Straße zurück und steuerte ihn strandwärts.
    Hoff blickte nach vorn. »Schönes Wetter. Eis, und da vorn dazu noch ein bißchen Nebel.«
    Goldberg lachte gequält. »Ich war schon mal hier in der Nähe an der Küste. Das sieht nach einem netten kleinen Seenebel aus.«
    Die »Straße« war ein planierter, fast völlig vereister Weg. Nach einigen hundert Metern vorsichtigen Manövrierens zwischen den unübersehbaren Schilffeldern erreichte Matzbach den sommers als Parkplatz vorgesehenen Freiraum zwischen Deich und Strand, Ried und Prielen. Er entdeckte eine weniger vereiste Stelle, steuerte sie an und bremste sanft.
    Hoff blickte ihn stirnrunzelnd an. »Was willst du hier?«
    Matzbach schlug die Detailkarte auf.
    »Hier sind wir«, sagte er. Er deutete mit dem Finger auf eine schraffierte Fläche, neben der ein P zu sehen war. Auf der Karte führte nach rechts, ostwärts, eine gestrichelte Linie vom Parkplatz weg.
    »Stücker muß mit seinem Jeep vorsichtig fahren, denn es ist sehr glatt; man scheint hier oben nicht zu streuen.«
    »Ist ja genug Sand da, denken die wahrscheinlich«, kommentierte Hoff mit einer Handbewegung zum endlosen Wattenmeer.
    »Also braucht er länger als wir. Er wird, denke ich, gleich da vorn links ins Bild kommen. Er muß die Anlagen des Sportclubs umfahren« – er deutete auf die Karte – »und müßte dann da vorn bei diesen komischen Pfahlbauten auftauchen.«
    Weit vor ihnen waren undeutlich abstrakte Gebilde zu sehen.
    »Dann hat er nur noch eine Möglichkeit. Er muß zum Flughafen; anders kommt er hier nicht weg. Der Flughafen liegt im Süden; alle Zufahrtsstraßen sind von der Polizei abgesperrt. Es gibt aber diese kleine, gestrichelte Linie hier.«
    Er wies wieder auf die Karte. Laut Legende handelte es sich bei diesen – und anderen derartigen – Stricheleien um »nicht befestigte Wege, nur mit geländegängigen Fahrzeugen zu passieren«. Der Weg hielt einen Abstand von etwa fünfhundert Metern zum Deich und schwenkte nach einigen Kilometern nach Süden, folgte der Küstenlinie in eine kleine Bucht hinein und traf in der Nähe eines Gehöfts auf eine Nebenstraße.
    »Hier kann er raus. Die Kontrollen sind näher am Ort; da unten erwartet ihn keiner.« Matzbach klopfte auf die Karte, etwa dort, wo der Flugplatz eingezeichnet war.
    »Hier kann er hintenrum, über Feldwege, den Flugplatz erreichen. Angenommen, da steht eine Maschine mit laufenden Propellern und einem startbereiten Genossen am Steuerknüppel, eh? Stücker braucht sich gar nicht beim Tower zu melden, und alle kleinen Feldwege können unsere grünen Freunde bestimmt nicht kontrollieren. Man hat es ja eilig. Stücker kann wahrscheinlich ungesehen zu der hypothetischen Maschine kommen, und die Gentlemen werden ohne Starterlaubnis starten.«
    Er starrte auf die Karte. Weiter vorn gab es noch einen Strichelweg, der auf den anderen stieß. Dann nur noch Wattenmeer und Priele, die so uneben und so stark vereist waren, daß selbst ein Jeep sie nicht würde passieren können.
    »Hier auf dem Parkplatz«, sagte Hoff, »kann er uns ausmanövrieren. Außerdem könnte er den kleinen Weg da vorn nehmen. Willst du ihn mit Gewalt stoppen?«
    Matzbach grübelte. Schließlich sagte er: »Also müssen wir so weit vorfahren, daß er nicht mehr zu einem dieser Pfade gelangt. Auf, Freunde, wir sperren das Wattenmeer. Pah.«
    Hoff spähte nach vorn. »Da«, sagte er, wobei er auf einen Punkt deutete, weit vorn und ein wenig nach links versetzt. »Da kommt er.«
    Matzbach beschleunigte, soweit das auf dem Eis möglich war. Schlitternd und hoppelnd bewegte der Wagen sich vorwärts. Sie überquerten die unregelmäßig vereiste Fläche des Strandparkplatzes. Rechts begann eine Reihe von Pfosten, gleichzeitig Markierung und Begrenzung, die anzeigten, wo der Weg zu den auf der Karte eingezeichneten, undeutlich sichtbaren Pfahlbauten im Watt verlief. Links neben dem Weg, der zwar nicht hoch, aber immerhin ein wenig aufgeschüttet war, schien bei anderem Wetter und Flut ein Priel zu sein; dort türmten sich Schollen, in mehreren Ebenen, teils übereinander und mit Höhenunterschieden von bis zu einem Meter.
    »Erfreulicher Anblick«, knurrte Matzbach. »Da kommt auch kein Jeep durch.«
    Das Eis knirschte unter ihnen. Immer wieder setzte der Wagen vorn und hinten auf. Sie hielten sich neben der Pfostenkette, wenn auch schlingernd.
    »Au«, brüllte Hoff, als er wieder an die Decke geschleudert wurde, »die Hydraulik. Und der Auspuff. Oh!
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