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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe
Autoren: Gisbert Haefs
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die Wagentür auf. Dabei knurrte er Hoff an: »Hast du schon wieder nicht abgeschlossen?«
    Hoff kletterte auf den Beifahrersitz, Goldberg sprang in den Fond.
    »Was ist denn los? Wer ist der Alte?«
    Baltasar suchte nach den Schlüsseln in Hoffs Tasche, da Henry nicht daran dachte, sie herauszuholen. Fluchend startete er den Wagen.
    »Stücker«, sagte er.
    Sie fuhren um die Ecke, hinter der Stücker verschwunden war. Dort lag ein kleiner Parkplatz, und dann begann der Strand. Ein Jeep schoß mit hohem Tempo auf sie zu. Baltasar überflog blitzschnell die Straße mit den Augen. Links standen einige Betonpfosten, um die Zufahrt zum dahinterliegenden Teil des Strandes zu versperren, rechts war die Wand des Gebäudes, in dem sich der Laden befand.
    »Festhalten!« schrie er, während er kurbelte und den Wagen querstellte. Der Jeep drehte mit quietschenden Reifen ab und jagte über einige kleinere Stufen auf den Strand hinaus, der jenseits des Parkplatzes nicht durch Betonklötze abgesperrt war. Dort begann der Wagen zu schlingern und zu rutschen, bis es Stücker gelang, ihn zu stabilisieren. Dann jagte er nach Norden.
    Hoff, blaß um die Nase, schnallte sich an. »Willst du etwa hinterher?«
    Baltasar antwortete nicht, sondern riß die Karte aus dem Handschuhfach. Er warf einige Blicke auf die Ecken, die ihm im Moment wichtig erschienen. »Festhalten, Jungs, es geht rund!«
    Damit wendete er den Wagen und brauste los. Nach ein paar Metern fragte er nebenher: »Wie war's bei der Polizei?«
    Goldberg auf der Rückbank grinste. »Ziegler läßt telefonisch grüßen. Er bringt dich um, wenn er dich kriegt. Du sollst um Himmels willen auf der Polizeiwache bleiben, am besten in einer Zelle-elle-elle ...«, der Wagen hüpfte über einige Bodenunebenheiten, die für das vorgelegte Tempo nicht gedacht waren, »... und den Kopf einziehen. Es sind ein paar Spezialisten unterwegs, mit Helikopter und so.«
    Baltasar steuerte schräg und mit Beschleunigung über eine Eisfläche, fing den Wagen kurz vor einem Baum wieder ab und schrie: »Flugplatz! Natürlich, ich Idiot.«
    Hoff klammerte sich an den Haltegriff seiner Tür. »Zugegeben, Idiot«, sagte er schwach, »aber wieso Flugplatz?«
    Im Telegrammstil informierte Baltasar sie, daß Stücker in Verkleidung und mit Jeep wohl irgendwohin fahren wollte, daß er von Schlupflöchern geredet hatte und von drei bis vier Stunden, bis er in Sicherheit sein würde.
    »Mit Jeep, vielleicht mit Spikes, schafft er das. Die Polizei hat die Straßen gesperrt, die in den Ort führen. Er kommt also über die Straßen nicht raus. Wahrscheinlich wollte er sich auf seine Verkleidung verlassen, aber jetzt weiß er, daß er erkannt ist. Auf den Gedanken, bei dem Wetter und Eis über den Strand zu donnern, ist er vielleicht schon vorher gekommen, als Notlösung, jetzt ist es seine einzige Chance. Wahrscheinlich wartet auf dem Flugplatz südlich von hier einer mit einer startbereiten Maschine, um ihn mitzunehmen.«
    Er zog den Wagen halsbrecherisch um eine Kurve.
    »Also Strand und irgendwo östlich wieder auf einen Feldweg – er kennt ja die Gegend. Dann ist er um die Posten herum und kann zum Flugplatz. Von hier ist er schnell über der Nordsee, über Dänemark oder über der DDR.«
    Goldberg hielt den Raben fest, dem die Fahrt Freude machte und der wie ein wilder Esel krächzte.
    »Vielleicht solltest du uns in Ruhe erzählen, was los ist«, sagte Hoff. »Was ist mit deinem Hemd?«
    Baltasar gab keine Antwort. Der Karte nach mußte er nun bald einen Zubringer zum Strand erreichen, der für Autos passierbar war.
    »Da«, schrie er, »links. Geht in Deckung!«
    Die Zufahrt war gesperrt. Ein kleiner Holz- oder Plastikbock mit einem Schild »Zufahrt gesperrt! Glatteis!« stand mitten auf der Straße. Der Bock flog über den rechten vorderen Kotflügel.
    »Plastik!« Baltasar spuckte das Wort aus.
    Die Straße überquerte den Deich; sie war stark vereist.
    »Ich möchte jetzt nicht in einem Wagen mit Heckantrieb sitzen«, zischte Matzbach.
    Mühsam schafften sie es bis zur Deichkrone. Danach ging die Straße scharf nach rechts, abwärts, beschrieb dann wieder einen Bogen nach links und führte zwischen gespenstischen, vereisten Schilffeldern ins Watt, beziehungsweise auf den kilometerbreiten Strand.
    Der Wagen rutschte von der schräg nach unten führenden Straße, drohte zu kippen, stellte sich wieder aufrecht und landete auf einem Eisfeld in der Kurve. Fluchend und kurbelnd brachte Matzbach ihn wieder
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