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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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leisen Surren eines Geräts, das irgendwo im Zimmer stehen musste, war nichts zu hören.
    Sie hörte.
    Sie atmete.
    Sie lebte.
    Emma versuchte, ihren Atem und vor allem ihren Körper zu spüren. Sie konnte ihre Hände und ihre Füße bewegen. Als ob sie diese Tatsache bestätigen musste, fuhr sie mit den Fingern vorsichtig über ihren Oberkörper. Nach und nach erkundete sie ihr Gesicht, ließ ihre rechte Hand durch ihre volle Haarpracht gleiten und kratzte sich sanft hinterm Ohr, als sich ein kurzer Juckreiz bemerkbar machte.
    Ich lebe. Sie konnte es immer noch nicht glauben und ging bereits in Gedanken die letzten ihrer bewussten Minuten durch, ehe sie eingeschlafen war. Doch ganz gleich, wie sehr sie auch überlegte, sich Konstruktionen möglicher Abläufe im Geiste zusammenreimte, sie hatte absolut keine Idee, wie sie an diesen Ort gekommen sein konnte. Offensichtlich lag sie in einem Bett.
    Plötzlich hörte sie Schritte. Sie fuhr zusammen, als jemand vorsichtig die Klinke herunterdrückte und den Raum betrat. Als das Licht angeschaltet wurde, spannte sich Emmas Körper an. Ihre Augen waren geschlossen und sie zitterte.
    â€žSie brauchen keine Angst mehr zu haben. Es ist alles in Ordnung“, begrüßte sie eine Schwester, die durchs Zimmer ging und mit einem flinken Knopfdruck die Rollläden automatisch hochfahren ließ.
    Anschließend entfernte sie die Infusionsflasche, brachte Emma eine weitere Flasche Mineralwasser und schüttelte das Kissen auf. Mit den Worten „Die nächste Infusion zur Ausleitung des Schlafmittels bringe ich Ihnen dann in zwei Stunden“ verabschiedete sie sich.
    Die Krankenschwester hatte gerade das Zimmer verlassen, da klopfte es erneut an der Tür.
    Nachdem sie „Ja, bitte“ gerufen hatte, öffnete sich die Tür und Franz-Josef Bannholzer, Stefan Alt und Karl Strittmatter betraten das Zimmer.
    â€žWie geht es Ihnen, Frau Kollegin?“, fragte der Kriminalrat und setzte sich auf einen Stuhl, der neben Emmas Bett stand. Die beiden Kriminalhauptkommissare taten es ihm gleich, indem sie sich die Stühle vom Tisch ans Bett heranzogen, sich hinsetzten und gespannt auf Emmas erste Reaktion warteten.
    â€žDanke. Ich lebe.“ Emma atmete tief und erleichtert durch.
    â€žAber was ist denn eigentlich passiert?“
    â€žSie haben einen Filmriss. Thomas Albiez hat Ihnen Luminal in sehr, sehr hoher“, der Kriminalrat hielt kurz inne, ehe er gefasst fortfuhr, „Dosis verabreicht und Sie würden jetzt nicht hier, sondern wohl zwei Stockwerke tiefer liegen, wenn wir sie nicht noch rechtzeitig gefunden und sofort ins Krankenhaus nach Waldshut gebracht hätten, wo ihnen bereits die entsprechenden Gegenmittel verabreicht wurden.“ Bannholzer nickte ihr aufmunterungsvoll zu, während er sich zur eigenen Beruhigung mit der rechten Hand den Bart zwirbelte.
    â€žAber woher wussten Sie …“ Emma brach ab.
    Die Beamten erklärten ihr ausführlich und bis ins letzte Detail, wie sie hinter Thomas Albiez und sein 15 Jahre lang gehütetes Geheimnis gekommen waren und welcher Hinweis sie zum Gewächshaus und damit zu Emma geführt hatte. Sie erfuhr auch, dass Reinhold Nägele endlich wieder zu Bewusstsein gekommen war und aller Voraussicht nach den Angriff auf seine Person überleben würde.
    Nachdem Emma jedes Wort in sich aufgesogen hatte, drehte sie ihren Kopf zum Fenster hin und schaute nach draußen. In den verhangenen Himmel.
    In die Freiheit.
    Ihre Freiheit.
    â€žAber warum hat er Charlotte umgebracht? Nur aus einem übersteigerten Liebeskummer heraus? Weil sie seine Liebe nicht erwidert hat?“
    â€žEr litt unter einem krankhaften Liebeswahn, einer sogenannten Erotomanie, die ihm – wie wir herausgefunden haben – sogar schon im Alter von acht Jahren bescheinigt wurde. Er wurde dahingehend schon als Kind, später auch als Teenager und auch noch als Erwachsener behandelt, doch alle Therapien haben nichts geholfen. Ganz im Gegenteil: Eine Gesprächstherapeutin hat in ihren Unterlagen vermerkt, dass er sich, je mehr er darüber sprach, umso stärker in seinem obsessiven und krankhaften Liebeswahn bestätigt sah. So war es wohl auch bei Charlotte. Er hatte sie, seit sie ihm das erste Mal als Frau aufgefallen war, begehrt und sich in den Wahn hineingesteigert, dass sie ihn genauso lieben müsse, wie er sie liebte. Doch das war nicht der Fall,
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