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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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Vielleicht war Charlotte ja wirklich etwas zugestoßen?

sechs
    Er wusste, dass er aktiv werden musste. Seitdem der alte Bauer im Vollrausch nun auch in aller Öffentlichkeit immer wieder sein selbst gereimtes Gedicht vortrug, hatte dieser offensichtlich Verdacht geschöpft.
    Ob der Alte ihn mal gesehen hatte? Doch welche möglichen Szenarien er sich auch immer ausmalte, er hatte keine Erklärung, wie der Bauer hinter sein Geheimnis gekommen sein konnte.
    Noch schenkt dem versoffenen Sack niemand im Dorf Beachtung, aber das kann sich schnell ändern, schließlich sagt der Lateiner nicht umsonst „in vino veritas“, dachte er, und in ihm stieg der Tatendrang auf, der schon immer sein treuester Begleiter gewesen war. Es wird also höchste Zeit, etwas zu tun, überlegte er, während er so am Fenster stand und in den verhangenen Himmel schaute.
    Es regnete so heftig, dass man kaum die großen Laubbäume auf dem Friedhof und den dahinterliegenden Kirchturm von St. Stephan auf der anderen Straßenseite sehen konnte.
    Ihm machte dieses Wetter jedoch nichts aus. Er liebte den Regen sogar. Diese beständige Feuchtigkeit, der man nicht entfliehen konnte. Er nahm seinen olivgrünen Anorak vom Haken und zog sich seine schweren Schuhe an.
    Der Regen prasselte ans Fenster der Vorderfront des Hauses. Auf dem kiesbedeckten Hof hatten sich bereits Pfützen gebildet, die von Minute zu Minute größer wurden.
    Ich muss dem ganzen Spuk ein Ende setzen, ehe noch etwas passiert, schwor er sich ein und wollte gerade, die Autoschlüssel schon in der Hand, zu seiner Garage gehen, als er jemanden im etwas abseits gelegenen Garten herumschleichen sah.

sieben
    Als Luise Kampmann vom Einkaufen zurückkam, hatte es bereits angefangen zu regnen.
    Von Minute zu Minute wurde der Regen stärker, und Luise dachte, als sie in ihr noch leicht warmes und mit selbstgemachter Pfirsichmarmelade bestrichenes Brötchen biss, dass sie doch besser auf ihre Tochter hätten hören und – statt nach Nöggenschwiel zu fahren – auf die Kanaren hätten fliegen sollen.
    Doch das Rosendorf im Schwarzwald war den beiden Dortmundern über die mehr als zwei Jahrzehnte ans Herz gewachsen. Das gute badische Essen, die herzlichen Menschen, die immer zu einem Gespräch am Gartenzaun oder im Restaurant bereit waren, und vor allem die Rose, die Königin der Blumen, hatten es der 67-Jährigen angetan.
    Sie liebte Blumen, besonders die Gartenarbeit zu Hause in ihrem Vorgarten, und daher konnte sie sich nie sattsehen an den Schönheiten, die ihr die Natur jedes Jahr aufs Neue schenkte.
    Wenn nur dieses scheußliche Wetter nicht wäre.
    â€žMeinst du, wir hätten doch nach Teneriffa fliegen sollen?“, fragte sie ihren Mann, der gerade den Sportteil der Bildzeitung las.
    â€žHm, du weißt doch, dass ich Flugangst habe. Und hier ist es doch sehr schön“, entgegnete Herbert Kampmann kurz und nahm einen Schluck Kaffee, ehe er sich wieder seiner Morgenlektüre widmete.
    â€žHier ist es schön? Dass ich nicht lache. Du schaust den ganzen Tag doch nur Sport, von morgens bis abends. Das hättest du auch in Dortmund tun können“, musste Luise ihrem Frust einmal Luft machen. „Immer wieder vertröstest du mich auf morgen, wenn ich mal mit dir etwas unternehmen will, dabei weißt du, wie gerne ich spazieren gehe.“
    â€žHm“, erwiderte ihr Mann.
    â€žUnd ich kann nun mal nichts für dieses Sauwetter“, protestierte sie, um sich gleichzeitig für ihren scharfen Ton zu entschuldigen: „Bitte, lass uns mal ein wenig rausgehen, und wenn es nur bis zum Witznaustausee ist“, hörte Herbert bereits den leicht verzweifelten Unterton in den Worten seiner Frau.
    Für Luise war nichts schlimmer, als zur Untätigkeit verdammt zu sein. Und er wusste, auch wenn es wie aus Eimern goss, er musste auch einmal etwas für sie tun.
    â€žLuise, lass uns noch in Ruhe zu Ende frühstücken und dann ziehen wir uns wetterfest an und laufen den Weg hinunter zum Stausee“, sagte Herbert und sah über den Rand seiner Zeitung hinweg, wie er damit ein freudiges Strahlen auf das Gesicht seiner Frau zauberte. Auch wenn wir dort noch weniger erleben werden als hier in unserer Ferienwohnung, fügte er gedanklich hinzu.
    Einen Gedanken, den er keine Stunde später mehr als bereuen sollte.

acht
    Der Regen prasselte auf seine Mütze, als er durchs
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