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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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hatte Roswitha Villinger der Familie immer mal wieder Kuchen und Teilchen vor die Tür gestellt und sie gleich am ersten Abend eingeladen, ihren selbstgemachten Rosenlikör zu probieren.
    â€žAber irgendetwas scheint dich zu bedrücken? Brauchst du noch ein paar Handtücher oder soll dir Georg die Heizung höher drehen?“
    â€žNein, es ist wie immer alles sehr schön bei Ihnen.“
    â€žUnd was ist dann der Grund?“
    â€žIch habe jetzt erst erfahren, dass Charlotte verschwunden ist, und das geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich frage mich die ganze Zeit, wo sie nur sein kann?“
    â€žJa, das ist eine wirklich tragische Geschichte.“
    â€žIch meine, ich war fünfzehn Jahre nicht hier und dann komme ich wieder und Charlotte ist wie vom Erdboden verschwunden. Ich war gestern Abend noch kurz im Lädele, um ein paar Sachen zu besorgen. Und da erzählte mir Maria Reisinger von Charlottes Verschwinden in der Nacht des Rosenballs. Also genau an dem Tag, als ich sie zuletzt gesehen habe.“
    â€žJa, das hat uns irgendwie alle sehr mitgenommen. Und uns besonders …“, erwiderte Roswitha Villinger, die mittlerweile den kleinen Waschraum betreten hatte und nun mit wenigen Handgriffen die Waschmaschine befüllte.
    â€žWas ist denn eigentlich genau passiert, damals, in der Nacht ihres Verschwindens? Maria Reisinger hat es leider nur bei einer Andeutung belassen, dass etwas ganz Schlimmes geschehen sein muss“, sagte Emma, die sah, wie Roswitha Villinger einen Becher Waschpulver nahm, um es anschließend in die Kammer für die Hauptwäsche zu schütten. Dann goss sie eine Kappe Weichspüler in das mittlere Fach der Waschmaschinenschublade, drehte am Hahn über dem Emaille-Waschbecken das Wasser auf, drückte den Startknopf und wandte sich anschließend wieder ihrer Gesprächspartnerin zu.
    â€žDa gibt es auch nicht viel zu erzählen. Sie soll mit ihrem damaligen Freund René durchgebrannt sein. So wurde es hier im Ort damals getuschelt.“
    â€žUnd stimmt es?“
    â€žDas weiß keiner so genau. Nein, zumindest glaube ich das nicht. René ist damals natürlich als einer der Ersten befragt worden und auch er hat Charlotte angeblich seit dem Rosenball nie mehr gesehen.“
    â€žVielleicht wollte sie nur für eine gewisse Zeit von zu Hause weg?“, fragte Emma. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Teenager diesen Schritt ein ums andere Mal in Erwägung gezogen hatte. Nur zu gern hätte sie ihre Eltern für all die Ungerechtigkeiten bestraft, die sie als Jugendliche empfunden hatte. Doch letztendlich in die Tat umgesetzt hatte sie diesen Plan nie. Zu drastisch waren ihr damals die Konsequenzen erschienen. Und ein Zurück hätte es sicher nicht gegeben. Ihre Eltern hätten ihr diesen Schritt nie verziehen.
    Niemals.
    â€žMag sein, denn aufgetaucht ist sie seitdem hier oben nicht mehr. Aber ob die Polizei noch nach ihr sucht oder den Fall schon längst zu den Akten gelegt hat, keine Ahnung ...“. Roswitha Villinger zuckte mit den Achseln.
    â€žAlso hat sie jemand als vermisst gemeldet?“
    â€žJa, ihr Vater. Schon sehr schnell, keine sechs Stunden nach dem Rosenball. Aber wie gesagt, seitdem hat sie hier keiner mehr gesehen. Und, wer weiß, am Ende ist sie ja wirklich durchgebrannt und genießt jetzt ihr Leben in vollen Zügen. Schließlich hatte sie das Dorf ganz schön satt.“
    â€žTja, anscheinend habe ich Charlotte nicht wirklich gut gekannt. Sie hat mir immer den Eindruck vermittelt, glücklich zu sein.“
    Ob ihr Charlotte wirklich immer nur etwas vorgemacht hatte? Und doch wollte das Bild, das sich von Charlotte in ihrer Erinnerung festgesetzt hatte, so gar nicht zu dem passen, das Roswitha Villinger von ihr zeichnete.
    â€žTja, Charlotte war eben immer etwas Besonderes.“ Roswitha Villinger bückte sich, nahm den Wäschekorb hoch, klemmte ihn unter ihren Arm und ging an Emma vorbei in den Flur.
    â€žSie meinen ...?“
    â€žWie gesagt, keine Ahnung, aber seit diesem Tag ist hier in Nöggenschwiel nichts mehr so wie es einmal war. Nur, ich hätte die Suche nach meiner Tochter niemals aufgegeben. Niemals. Denn wer weiß, am Ende ist ihr wirklich etwas passiert. Aber vielleicht bekommst du ja nach so langer Zeit noch etwas über Charlottes mysteriöses Verschwinden heraus.“
    Emma schaute ihrer Vermieterin gedankenvertieft nach.
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