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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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aus dem. Der sitzt jeden Morgen dort und nervt uns mit seinen komischen Anwandlungen“, sagte ein Mann, dem sie im Eingangsbereich fast in die Arme gelaufen wäre.
    â€žOh, entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gesehen ...“, versuchte Luise Kampmann, immer noch völlig aufgewühlt, sich zu rechtfertigen. Doch der Mann konnte ihre Worte nicht mehr hören, denn er war längst zu seinem Wagen zurückgekehrt und startete gerade den Motor seines Fahrzeugs, um mit quietschenden Reifen den Kirchplatz zu verlassen.
    Vor lauter Aufregung hatte sie nun ganz vergessen, ob Herbert noch etwas wollte oder ob er mit seiner Bildzeitung, den Eiern und den Brötchen vollkommen zufrieden war.

vier
    Die Sonne hatte es an diesem Morgen noch nicht geschafft, die Welt mit ihren warmen Strahlen zu erobern. Zu dicht war der Nebelschleier, der einer undurchdringbaren Mauer glich. Über den Wäldern lag ein schwerer, zäher Dunst, der die Feuchtigkeit langsam über die Baumwipfel trug. Sah man in die Täler hinunter, dann konnte man den Eindruck gewinnen, die Welt habe sich hierher zurückgezogen, um für sich alleine zu sein – in der Hoffnung, dass die Sonne sie endlich wieder mit ihren lebensspendenden Strahlen liebkosen würde. Und doch wusste Mutter Erde, dass sie darauf lange würde warten müssen, war der November doch der erste und auch – vom goldenen Oktober mit seinen letzten sonnenüberfluteten Tagen aus gesehen – der extremste Vorbote einer Jahreszeit, die dem Leben mehr als unwirklich, gar feindlich gegenüberstand.
    Auch Franz Marder wusste, warum der November als ein Monat der Besinnung und des Gedenkens galt – der Totenmonat hatte für ihn eine ganz besondere Bedeutung.
    Zwei Jahre war es nun her, dass seine über alles geliebte Frau Martha von ihm gegangen war. Lymphdrüsenkrebs im Endstadium, so die furchtbare Diagnose, an der er mehr zerbrochen war als seine Frau.
    Selbst in ihren schwersten Stunden spendete sie ihm Kraft, baute ihn mit ihrem liebenden Blick und ihrem so anmutigen Lächeln auf.
    Auch nach den kräftezehrenden Chemotherapien und Bestrahlungen im Freiburger Universitätsklinikum gab sie nicht auf und molk noch pünktlich morgens um 5 Uhr die Kühe, wenn es ihre Kräfte zuließen.
    â€žDie Tiere können ja nichts für meine Krankheit“, hörte er sie noch sagen. Und ohne weitere Widerworte zu geben, dass das doch alles viel zu anstrengend für sie sei, ließ er sie gewähren und bewunderte seine starke Frau für ihre Kraft.
    Eine Kraft, die er selbst nie aufgebracht hätte.
    Dabei war der Stall ihr Lieblingsplatz auf dem gesamten Hof. Und hier hatte er, als er nachsehen wollte, ob er seine Gummistiefel im Stall hatte stehen lassen, zum ersten Mal ihre Tränen gesehen. Angelehnt an die dienstälteste Kuh im Stall, Soraya, weinte sie bitterlich. Dabei strich sie dem sanftmütigen Wiederkäuer ständig über das weiche Fell, was Soraya mit einem munteren Schmatzen honorierte.
    Zehn Tage später war Martha tot. Verloren der Kampf gegen eine so teuflische Krankheit.
    Franz, von Kindesbeinen an gläubig – getauft, kommuniziert und gefirmt in St. Stephan in Nöggenschwiel, hatte sich seitdem von Gott abgewandt. Im Stich gelassen habe er ihn, so seine Begründung, und ihm das Liebste genommen, was er je besessen hatte.
    Um seiner Wut über den lieben Gott, über die Ärzte, die seiner Frau nicht helfen konnten, und über die Mitmenschen, die mit Beileidsbekundungen an seinem Leid Anteil nehmen wollten, Ausdruck zu verleihen, schottete er sich von allem ab. Er kündigte seine Mitgliedschaft im Heimat- und Geschichtsverein und trat als stellvertretender Vorsitzender von allen Ämtern zurück. Er besuchte keine einzige Probe des Kirchenchors mehr und ließ seinen Bauernhof mehr und mehr im Stich.
    Selbst, als er seinen großen Bauernhof mit seinen Landmaschinen, darunter den großen Traktor und den neuen Mähdrescher, sowie seine geliebten Tiere verkaufen musste, stand er nur regungslos da und ließ es über sich ergehen. Er konnte noch nicht einmal eine Träne vergießen, so weit entfernt schien alles für ihn zu sein.
    Martha hätte sich nie so gehen lassen. Sie hätte um den Erhalt des Bauernhofes gekämpft. Sie hätte euer gemeinsames Lebenswerk erhalten und im Gedenken an dich gepflegt, so sprach immer häufiger sein Gewissen zu ihm.
    Aber
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