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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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auffallend elegant toupiert, sondern schienen auch in einem hellbraunen, fast bernsteinfarbenen Ton gefärbt zu sein. Sie trug eine dunkelblaue Bluse und eine teure Markenjeans, dazu Perlenohrringe samt Kette und ihre Nägel waren frisch lackiert.
    â€žSchon seit fast neun Jahren arbeite ich jetzt hier ehrenamtlich“, antwortete Maria Reisinger, „und es macht mir immer noch sehr viel Spaß, auch wenn es manchmal etwas anstrengend ist. Aber lass’ uns von etwas anderem sprechen. Wie viele Jahre habe ich dich jetzt nicht gesehen? Zehn? Zwanzig?“
    â€žFünfzehn, um genau zu sein. 1997 waren wir das letzte Mal in den Ferien hier.“
    Ich weiß, ich hätte schon viel früher wiederkommen sollen, aber irgendwie kam immer etwas dazwischen, dachte Emma. Aber sie wusste, dass sie sich das nur einredete. Warum war sie denn eigentlich nie nach Nöggenschwiel zurückgekehrt? Waren es etwa die schönen Erinnerungen an eine glückliche und geborgene Kindheit, an eine längst vergangene Zeit? Und waren es eben genau diese Erinnerungen, die sie am liebsten ganz weit von sich wegschieben wollte, weil sie wusste, dass diese Zeit, dieses Glück nie mehr zurückkommen würde?
    â€žSchön, dass du wieder da bist, auch wenn du sicherlich vieles nicht mehr wiedererkennen wirst“, sagte Maria Reisinger und verschwand wieder hinter ihrer Theke, um das von der Kundin bestellte Bauernbrot in die Brotschneidemaschine zu legen.
    â€žJa, und ich freue mich, viele Bekannte von damals endlich wiederzusehen und das nicht erst an Herrn Villingers Geburtstagsparty“, sagte Emma stellte ihre Lebensmittel auf die Theke.
    â€žWie schön, da werden wir uns dann ja auch wieder sehen“, erwiderte Maria Reisinger und versuchte dabei, das laute Schneiden mit ihrer schrillen Stimme zu übertönen. „Dass heißt also, du bleibst länger in unserem schönen Rosendorf?“
    â€žJa. Ich reise erst nächste Woche Sonntag wieder ab.“ Emma genehmigte sich einen letzten Blick durch den Laden, ob sie noch etwas entdeckte, was sie unbedingt brauchen oder worauf sie noch Hunger haben könnte.
    â€žVorher möchte ich unbedingt noch Charlotte besuchen. Ich habe sie ja zuletzt wenige Stunden vor unserer Abfahrt gesehen. Ist sie damals nicht sogar Rosenkönigin geworden? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt sie war. Ob sie überhaupt hier noch wohnt?“, fragte Emma mehr sich selbst als Maria Reisinger.
    Als sie sich wieder umdrehte, sah sie das versteinerte Gesicht der Lädele-Verkäuferin.
    â€žFrau Reisinger, alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen auf einmal so blass aus …“
    Stille. Es war, als ob von jetzt auf gleich das Leben aus der temperamentvollen Frau gewichen war.
    â€žFrau Reisinger?“
    â€žNein, nein, es geht schon. Aber als du den Namen Charlotte ...“
    Maria Reisinger stoppte mitten im Satz. Ihre Gesichtszüge verkrampften sich und sie kämpfte mit den Tränen. „Ich habe sie so geliebt. Sie war wie meine Tochter. Warum habe ich bloß nicht besser auf sie aufgepasst?“
    Sie stand hilflos hinter der Theke und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Emma kramte in ihrer Jackentasche nach einem Taschentuch, doch außer einer eingerissenen Kinokarte konnte sie nichts finden.
    â€žWie meinen Sie das, Sie hätten besser auf sie aufpassen sollen? Auf Charlotte? Warum? Was ist denn passiert?“, fragte Emma noch immer irritiert.
    â€žIch dachte ...“, wieder stockte Maria Reisinger, die zwischenzeitlich in ihrer Jeans ein Stofftaschentuch gefunden hatte, und schnäuzte kräftig in das mit ihren Initialen bestickte Tuch.
    â€žIch war immer der Meinung, ihr seid Freundinnen gewesen und du wüsstest Bescheid“, sagte sie, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte.
    â€žNein, also, nicht wirklich. Also es war nur eine Ferienfreundschaft. Wir haben in den Jahren, in denen ich hier war, einiges unternommen, viel Spaß miteinander gehabt und uns auch das ein oder andere Geheimnis anvertraut. Aber da ging es eher immer um Jungs, Lehrer oder die Eltern. Sie wissen schon. Dazwischen hatten wir keinen Kontakt.“ Dafür waren unsere Leben auch zu verschieden, ergänzte Emma in Gedanken.
    â€žDas erklärt natürlich einiges.“ Maria Reisinger schluckte.
    â€žAber was ist denn jetzt mit Charlotte passiert?“ Mittlerweile war Emmas Geduld nahezu erschöpft
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