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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein
Autoren: Joerg Boehm
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selbst sein Gewissen schaffte es nicht, ihn zu einem Umdenken zu bewegen. Ganz im Gegenteil: Franz Marder versuchte fortan immer öfter, diese insistierende innere Stimme mit Alkohol zum Verstummen zu bringen.
    Doch er musste feststellen, dass die Stimme umso lauter zu ihm sprach, je mehr er trank. Denn Martha hatte nichts mehr gehasst, als wenn ihr Franz zu tief ins Glas schaute.
    Nur einmal im Jahr, wenn der Rosenumzug durch Nöggenschwiel gezogen und sein Wagen mal wieder als schönster Rosenwagen prämiert worden war, da hatte sie ein Auge zugedrückt und so getan, als ob sie seinen kleinen Schwips nach einigen Rosenschnäpsen nicht bemerkt hätte.
    So verbrachte er jeden Tag auf dem Kirchplatz, versuchte mit den Leuten zu reden, die im Lädele einkaufen gingen, sonnte sich auf der Bank vor dem Gotteshaus oder döste auf den Kirchenstufen. Wirklich ernst nahm ihn im Dorf schon lange niemand mehr. Daran hatte er sich längst gewöhnt.
    Doch was er vor wenigen Tagen beobachtet hatte, ließ ihm seitdem keine Ruhe mehr: Die Nacht hatte den Ort bereits in ihr dunkles Gewand gehüllt, als er plötzlich dieses kleine helle Licht gesehen hatte, das in die Dunkelheit leuchtete. Es hatte ihn von jetzt auf gleich verzaubert und in seinen Bann gezogen.
    Aber weder der Bürgermeister Josef Huber, noch Reinhold Nägele, der erste Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins und sein guter Freund aus Kindertagen, wollten ihm zuhören, als er sie darauf vor einigen Tagen angesprochen hatte. Sie taten seine Worte als Geschwätz, als dummes Zeug ab. Er solle doch gefälligst weniger trinken, um wieder klarere Gedanken zu fassen, so ihre einhellige Meinung, die sie ihm unmissverständlich und mit eindeutigen Worten klarmachten.
    Die Gespräche hatten ihn aufgewühlt. Mehr, als er sich jemals hätte eingestehen wollen. Wenn man überhaupt von Gesprächen sprechen konnte. Immer wieder beschäftigten ihn die harten Worte seiner Freunde und ließen ihn nicht mehr los. Immer noch tief verletzt und mit einer Flasche selbst gebrannten Rosenschnapses unter seinen Arm geklemmt, war er auch an diesem Morgen von seiner Wohnung zum Dorfplatz getrottet. Wenigstens der Schnaps hört mir noch zu und nimmt mich ernst, dachte er, als er die große Eiche vor der Kirche erreicht hatte. Er setzte sich auf die Treppenstufen der Kirche, seinen Lieblingsplatz im Dorf, in der Hand die goldene Brosche seiner Martha, und grummelte erst leise, dann immer lauter werdend vor sich hin. Als wäre es eine Eingebung, wurde aus diesem wirren Gebrummel ein Gedicht. Und dieses Gedicht wollte ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.
    Er hatte es auch auf den Lippen, als dann diese ältere Frau um die Ecke der Kirche bog und aufschrie, als sie ihn sah. Dabei wusste er selbst nicht, wie ihm geschah. Auf jeden Fall tat es ihm schrecklich leid, diese Frau, die ihn an seine Martha erinnerte, so erschreckt zu haben.
    Ich muss mich bei ihr entschuldigen, wenn ich sie das nächste Mal sehe, nahm er sich fest vor, als er sich nach der Begegnung auf den Heimweg gemacht hatte. Und auch wenn der Reim allgegenwärtig war, so überlegte er bei einer Tasse Kaffee fieberhaft, mit welchen Worten er die Frau um Verzeihung bitten könnte.
    â€žDoch vorher muss ich unbedingt noch mal an den Ort zurück, an dem ich dieses kleine Licht aufleuchten sah“, murmelte Franz Marder und verließ sein kleines Zimmer unterm Dachboden in Richtung Dorfmitte.
    Mit dem einen Ziel vor Augen.

fünf
    Auch wenn es schon hell war, wirkliche Aufbruchstimmung wollte bei Emma nicht aufkommen, als sie um kurz vor 7.30 Uhr zum ersten Mal auf die Uhr sah.
    Abgeschlagen, erschöpft, ja immer noch so richtig müde fühlte sie sich. Und so freute sie sich auf ihre heiße Schokolade, als sie, in ihren Bademantel eingehüllt, in der Küche ihrer Ferienwohnung stand und resigniert feststellen musste, dass sie gestern Abend kein Kakaopulver im Lädele eingekauft hatte. Dabei war sie sich so sicher gewesen, die große Familienpakkung neben ihre anderen Einkäufe auf die Theke gestellt zu haben.
    Maria Reisingers Worte hatten ihre Gedanken seit mehr als zwölf Stunden nur um Charlotte und ihr mysteriöses Verschwinden kreisen lassen. Vor allem hatte das Gespräch mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Wie schon den gesamten gestrigen Abend über, so dachte sie auch heute Morgen immer und immer wieder
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