Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
richtigen Zettel und waren nicht dazu verdammt, mit Max laufend hinter die Mauer zu fahren.
    »Aber immerhin hast du einen Franzke drunter stehen«, bemerkte Max anerkennend und meinte damit die aufgedruckte Unterschrift auf dem Zettel. Er hatte mir beim Anstehen erklärt, dass es eigentlich nur zwei Unterschriften gab, »Franzke« und »Wesser«. Nach Letzterem wurden diese Zettel auch Wesserscheine genannt, weil Wesser anscheinend häufiger unterschrieben hatte als Franzke. Ich hätte ja zu gern mit Max gewettet, ob es diese beiden Leute wirklich gab, aber das würden wir wahrscheinlich nie rauskriegen.
    Am S-Bahnhof Zehlendorf erwartete uns ein menschenleerer Bahnsteig, über dem eine angerostete Anzeigetafel im Wind schaukelte. Während ich beobachtete, wie der Wind über die Grashalme strich und die Hitze über den Gleisen flirrte, fragte ich mich, ob überhaupt ein Zug kommen würde.
    »Vielleicht hätte ich meine Gitarre mitnehmen sollen«, bemerkte ich. »Dann wär’s nicht so langweilig.«
    »Aber uns gehste mit dem Gedudel auf den Geist«, entgegnete Kalle, der so gar nichts für Musik übrighatte.
    Flocke dagegen interessierte sich sehr dafür. Zwar liefen er und sein Bruder eher wie Popper herum – wozu ich mit meinem Old-School-Look nicht so richtig passte –, aber er war dennoch schwer in Ordnung, denn neben Depeche Mode und New Order hörte er auch Bowie, die Ramones und The Clash.
    »Immer noch besser, als dem blöden Quietschen zuzuhören.« Flocke, wie so oft total anti, was seinen Bruder betraf, deutete auf das Schild über uns.
    Da rasselte plötzlich etwas, und tatsächlich erschien die Anzeige der S1, Richtung Anhalter Bahnhof. Nur wenige Augenblicke später rollte die S-Bahn an.
    Der rot-gelbe Zug verlangsamte und hielt schließlich, ein paar Leute stiegen aus. Dort, wo wir einstiegen, saß niemand. Wir hatten alle Holzbänke für uns allein, genauso wie den durchdringenden Geruch nach Desinfektionsmittel, der durch die Hitze noch penetranter wurde.
    Als der Zug anfuhr, wurden wir aus irgendeinem Grund auf einmal alle still – als wollten wir hören, ob irgendwelche Nieten klapperten.
    Während ich aus dem Fenster blickte, auf die grauen Häuserblöcke, die hin und wieder mit leuchtenden Graffitis besprüht waren, kamen mir allerhand Gedanken. Ich fragte mich, was ich aus meinem Leben machen sollte. Das Abi hatte ich so gut wie in der Tasche, nur zur Physikprüfung musste ich noch antanzen, dann war die Sache gelaufen. Mehr als ’ne Drei würde ich darin eh nicht kriegen, aber das war kein Beinbruch.
    Am liebsten wäre ich in den nächsten Jahren als Musiker durch die Lande getourt, hätte Geld mit meiner Gitarre gesammelt, irgendwo in Amerika mit coolen Typen eine Band gegründet und wäre schließlich groß rausgekommen.
    Die Pläne meines Vaters sahen anders aus. Er, der erfolgreiche Rechtsanwalt, sah in mir den perfekten Nachfolger für seine Kanzlei – nur hatte die Sache einen entscheidenden Haken: Ich konnte mit Jura nichts anfangen. Tag für Tag vor einer Wand voller dicker Aktenordner zu sitzen und sich mit den Streitigkeiten anderer Leute zu befassen, war nicht mein Ding.
    Den Mut, ihm zu sagen, was ich wirklich machen wollte, hatte ich bisher noch nicht gehabt. Das stelle sich einer vor! Ich war seit zwei Monaten achtzehn, durfte wählen gehen, konnte aus meinem Elternhaus ausziehen – und dennoch brachte ich es nicht über mich, meinem Alten die Meinung zu geigen!
    »He, biste noch da oder schläfste mit offenen Augen?«
    Max’ Stimme riss mich aus meinem Nachdenken. Ich musste ihn verdattert angesehen haben, denn er sagte zu den Zwillingen: »Seht euch den an! Hat wohl wieder von Saskia geträumt.«
    Flocke und Kalle lachten.
    Ich nicht. Ich wusste nicht, wie lange sie mir diese Sache noch vorhalten wollten.
    »Ich habe einmal mit ihr geknutscht!«, hielt ich dagegen. »Mehr war da nicht!«
    Max machte Knutschgeräusche, Flocke und Kalle sahen sich an und unterhielten sich wohl wieder mal telepathisch, eine Sache, die sie manchmal ziemlich unheimlich machte.
    »Da haben wir aber was anderes gehört!«, sagte mein bester Freund schließlich.
    »Ach kommt, die spinnt doch!«, feuerte ich zurück und fragte mich gleichzeitig, wie wir wieder auf dieses blöde Thema kommen konnten.
    Saskia ging in die Parallelklasse, und ich gebe zu, ich fand sie für eine Weile auch sehr nett, so nett, dass ich mir sogar eingebildet hatte, sie zu lieben. Doch nach einer Weile merkte ich, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher