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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer
Autoren: Corina Bomann
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sie nicht die Richtige war – etwas, das sie anscheinend nicht begriffen hatte. Sie lief mir auch noch Tage, nachdem ich ihr gesagt hatte, dass es bei dem einen Kuss bleiben wird, hinterher, steckte mir Zettelchen zu und schwärmte ihren Freundinnen von mir vor.
    Ich hoffte sehr, dass sich die Sache mit Saskia am Abend des Abiballs erledigen würde. Bei ihren Freundinnen hatte sie groß getönt, dass sie dieses Jahr auf die Malediven fliegen werde. Wenn ich Glück hatte, würde ich sie nie wiedersehen.
    »Wer weiß, vielleicht wird es zwischen euch doch noch die große Liebe!«, sagte Kalle mit verstellter Stimme, was mich auf einmal ziemlich wütend machte.
    »Scheiß auf die Liebe!«, murrte ich und schlug mit der Faust gegen die Holzverkleidung neben dem Sitz. »Die Frauen versteht doch eh keiner!«
    Meinte ich das wirklich so? Ich war mir nicht sicher.
    »Außerdem sollte es für uns wichtigere Dinge geben«, hörte ich mich selbst sagen.
    »Wichtigere Dinge als Fummeln mit ’ner Torte?« Kalle grinste dreckig. Und man konnte ihm nicht mal vorwerfen, dass er keine Ahnung hatte, denn im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder hatte er schon was mit Mädchen, seit er dreizehn war und Lilly Klausen ihm auf der Mädchentoilette ihre Brüste gezeigt hatte.
    »Ja, den Weltfrieden und die Verständigung der Völker«, hakte Max grinsend ein. »Unserem Kaiser steht der Sinn nach Demokratie.«
    »Kaiser« war der blödeste Spitzname, den sie mir verpassen konnten. Wieder einmal dankte ich augenrollend meinen Eltern, dass sie mich tatsächlich nach einem römischen Kaiser, nämlich Claudius, benannt hatten.
    »Ach, lasst mich doch in Ruhe!«, knurrte ich und schaute demonstrativ aus dem Fenster. Die anderen lästerten noch eine Weile, doch ich ignorierte sie, bis wir endlich am Anhalter Bahnhof ankamen.
    »Schade, dass wir keine Zeitungen oder Kaffee dabeihaben«, bemerkte Max grinsend, als wir umstiegen. Nun befanden wir uns ganz in der Nähe der Grenze.
    »Was willst ’n damit?«, fragte Kalle, während er sich auf die Sitzbank fläzte. Unterhalb des Fensters prangte in Rot der Schriftzug
Accept
, den irgendein Fan der Band dort hinterlassen hatte.
    »Grenzer bewerfen«, antwortete Max inzwischen. »Immerhin kommen wir jetzt an zwei Geisterbahnhöfen vorbei.«
    Flocke und Kalle lachten.
    Ich nicht.
    Ich wusste, dass das alles nur leere Versprechen waren. Niemand warf den Grenzern mehr was zu. Meine Mutter, die in ihrer Jugendzeit bei einer Baufirma im Wedding gearbeitet hatte und viel mit der U-Bahn gefahren war, hatte mal erzählt, dass es in der Anfangszeit der Teilung passiert sei, dass Leute etwas in Höhe der Geisterbahnhöfe aus den Zügen geworfen hätten. Hauptsächlich um die Soldaten dazu zu bewegen, ihren Dienst im Stich zu lassen.
    Doch mittlerweile waren den Westberlinern die schemenhaften Gestalten auf den verwitterten Bahnsteigen egal geworden. Berlinbesuchern mochte vielleicht noch ein Schauer über den Rücken jagen, doch für die Einheimischen war es Gewohnheit. Entweder schliefen sie oder versenkten ihre Blicke in ihre Zeitungen.
    Langsam fuhren wir durch den ersten Bahnhof, dessen Kacheln schmutzig, gesprungen oder abgeplatzt und auf dem Boden zerschellt waren. Eine Seifenreklame blätterte langsam von der Wand ab. Der Schriftzug »Potsdamer Platz« war nur schemenhaft in dem kalten, grünlichweißen Neonlicht zu erkennen.
    Grenzsoldaten sahen wir nicht, die hockten wahrscheinlich in ihren Wachstuben, die es in den Bahnhöfen geben sollte.
    Wie sie wohl hier hineinkamen? Die Zugänge zu den Bahnhöfen waren jedenfalls zugemauert. Und hier unten wohnten sie bestimmt nicht.
    Das Ganze war sowieso absurd. Auch wenn die Züge an den Geisterhaltestellen vorbeibummelten, würde doch niemand so verrückt sein, aus dem Zug zu springen!
    Nach einem weiteren Geisterbahnhof, »Unter den Linden«, kamen wir wieder ans Licht und fuhren in den Bahnhof Friedrichstraße ein.
    Verschwitzte Reisende hetzten zu ihren Zügen, Leute schleppten sich mit ihren Koffern ab oder schoben Kofferkulis. Fast ausschließlich waren es Rentner, die sich zwischendurch den Schweiß von den Gesichtern tupften, denn die heiße Luft schien regelrecht im Bahnhof zu stehen.
    »Sag mal, warum wolltest du wirklich hierher?«, fragte ich Max, als wir ein Stück hinter Flocke und Kalle zurückgeblieben waren, die sich auf dem Bahnsteig umsahen, als wären sie auf einem Weihnachtsmarkt. Dabei waren wir hier noch nicht in der DDR .
    Max senkte den
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