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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer
Autoren: Corina Bomann
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Meer«, versprach er. »Gleich morgen.«
    Und dann küsste er mich.

Epilog
26. Juli 1990
    Irgendwie hatte ich mir das Meer anders vorgestellt. Vor allem wärmer. Karibischer. Man merkte irgendwie, dass man noch in Europa war. Und dennoch war es traumhaft.
    »Woran denkst du?«, fragte Claudius, der dicht neben mir saß.
    »An damals«, antwortete ich. »Daran, dass wir eigentlich schon lange hier gewesen sein wollten. Weißt du noch?«
    »Du tust ja so, als wäre es schon viele Jahre her! Es ist gerade mal ein bisschen über ein halbes vergangen.«
    »Aber trotzdem ist alles anders geworden, findest du nicht? Die Mauer gibt es nicht mehr. Und bald schon auch keine DDR  …«
    »Ey, trauerst du der etwa nach?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Und es ist echt toll, dass es so gekommen ist.«
    »Aber?«
    »Wieso aber?«
    »Vermisst du irgendwas?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Von dem, was wir auf dem Weg verloren haben, war wirklich einiges unnütz.«
    »Hast du schon von Sabine gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf und blickte auf meine Zehen, die vom Wasser sanft umspült wurden. »Sie hat es wohl immer noch nicht verkraftet, dass ich in den Westen gegangen bin. Ich habe ihr geschrieben, aber es kommen keine Briefe zurück.«
    »Sie braucht sicher Zeit, um das alles zu verkraften. Immerhin ist ihr über viele Jahre erzählt worden, dass der Sozialismus siegen würde – und sie hat es geglaubt.«
    »Ja, aber sie hat auch Westmusik gehört. Ich hatte gehofft, dass sie es schneller verkraften und vor allem mich verstehen würde.«
    »Du hast ihr ja kaum etwas von mir erzählt«, gab Claudius zurück und knuffte mich in die Seite. »Du hättest mal mehr schwärmen sollen, vielleicht hätte sie es dann verstanden.«
    »Sie hätte mir gesagt, dass du der Klassenfeind bist und ich besser nichts mit dir anfangen solle.«
    Ich schmiegte mich an seinen Arm. Alles schien so leicht. Und es fiel mir nun auch wieder leichter, mich an das zu erinnern, was vor unserer Ankunft hier geschehen war.
    Kurz nachdem ich in Hamburg, wo meine Mutter gar nicht mal so weit von Erwin entfernt wohnte, angekommen war, blieb mir erst mal nicht viel Zeit, um an die Reise zu denken.
    Es kam so, wie Claudius gesagt hatte, ich musste mich einleben und dann auf die neue Schule gehen. Eine Schule, die in vielem so anders war, als wir es kannten. Hier verlangte man auf einmal von mir, mitzudiskutieren, eine eigene Meinung zu haben. Das war teilweise schwerer, als irgendwelche Dinge nachzubeten, die der Lehrer hören wollte.
    Auch mit meinen Mitschülern klappte es nicht auf Anhieb. Die einen beäugten mich neugierig, die anderen fanden immer wieder Dinge an mir, die sie nicht mochten und die sie darauf schieben konnten, dass ich ein Zoni war.
    Meine Mutter und ich hatten allerdings die härteste Arbeit zu leisten – wir mussten fünfzehn Jahre aufholen und versuchen, das Band, das eigentlich zwischen Mutter und Tochter bestehen sollte, wieder zu spannen. Auch jetzt hatte ich manchmal noch das Gefühl, dass sie eine Fremde war, aber in den kommenden Jahren würde sich das vielleicht geben.
    Immerhin konnte ich Claudius nun schreiben, so richtig offiziell, und das tat ich beinahe jeden Tag. Ich weiß nicht, ob ich ihn damit gelangweilt habe, doch er schrieb mir zurück, und so war ich im Bilde darüber, wie sein Auszug von zu Hause verlief, das Einziehen in eine WG in Kreuzberg und der Antritt seines Studienplatzes. Tatsächlich, Claudius, der eigentlich erst mal jahrelang als Musiker durch die Welt ziehen wollte, hatte sich an der Freien Universität eingeschrieben – in Amerikanistik.
    »Damit ich was über das Land weiß, durch das ich irgendwann mal touren möchte«, hatte er erklärt. Ob es dazu kommen würde?
    Sein Vater war mit dieser Wahl jedenfalls nicht zufrieden. Er brach den Kontakt zu seinem Sohn ab, aber immerhin traf sich Claudius ständig mit seiner Mutter. Irgendwie hatten wir beide mit unseren Vätern Pech, aber wir hatten ja auch Zeit, und wer weiß, eines Tages würden wir mit ihnen vielleicht wieder normal umgehen können.
    Eine Sache zwischen mir und Claudius war allerdings neu: Wir schickten uns jede Woche eine Kassette.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, sich die Platten zu kaufen und auf Kassette zu überspielen, doch Claudius und ich machten aus, aus dem Radio aufzunehmen, was auch immer wir erwischten und mochten. Auch der NDR und Radio Hamburg waren nicht vor Störungen gefeit, aber das
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