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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer
Autoren: Corina Bomann
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Mama endlich wieder mit einem Pizzakarton auftauchte.
    »So, meine Lieben, jetzt habe ich alles.«
    So rot, wie ihre Wangen leuchteten, musste sie unterwegs ein paar Mal in Tränen ausgebrochen sein. Ich erhob mich und nahm ihr den Pizzakarton ab. Jetzt war es an der Zeit, dass sie Mirko kennenlernte und Zeit mit ihm verbrachte. Ich hatte ihn ja nur etwas mehr als ein Vierteljahr nicht gesehen.
    Während wir runter zum U-Bahn-Gleis gingen, tauschten Mirko und ich einen verschwörerischen Blick. Würden wir Mama von Papas Unterschrift erzählen?
    Nein, das würden wir nicht, beschlossen wir, ohne ein Wort zu sagen, nur durch Geschwistertelepathie. Noch nicht. Es hatte sich ja gezeigt, dass sich Geheimnisse nicht wirklich geheim halten ließen. Alles kam irgendwann heraus.
    Der Abend wurde dann sehr, sehr lang. Mama und Mirko hatten sich wahnsinnig viel zu erzählen. Das meiste kannte ich schon, sie hatte es mir ja damals schon in der Botschaft erzählt. Dennoch standen auch mir die Tränen in den Augen.
    Als wir alle gerade wieder so einen Heulflash hinter uns hatten, rief Claudius an und fragte nach, ob mein Bruder gut angekommen sei.
    Obwohl beide es nicht so richtig wollten, holte ich Mirko an den Hörer. Immerhin hatten sich beide ein Motorrad geteilt, dann sollten sie auch mal miteinander sprechen.
    Das Gespräch fiel zunächst furchtbar verklemmt aus. Wie Jungs nun mal so waren, wollte weder der eine noch der andere raus mit der Sprache. Erst als Claudius sich noch mal wegen des Motorrads entschuldigte und anmerkte, dass es wirklich eine tolle Maschine war, kamen sie ins Gespräch. Soweit ich es mitbekam, tauschten sie sich über ihre Motorräder aus, und schließlich schien es zwischen ihnen doch ganz lustig zu werden.
    Tja, und nun saßen wir hier, Claudius und ich am Meer. Nicht gestern, nicht morgen, sondern heute. Vor mir langen noch vier lange Wochen Ferien und damit noch viel, was wir unternehmen konnten. Claudius’ Semesterferien dauerten sogar noch länger, was mich richtig neidisch machte. Aber was morgen kam, zählte nicht, sondern das Jetzt.
    Die Sonne färbte sich langsam rot, und ein bisschen, muss ich sagen, sah es nun doch nach Karibik aus. Auch wir sahen nach Karibik aus, denn der goldene Schein legte sich auf unsere Haut, die in den vergangenen Tagen ziemlich viel Bräune angenommen hatte.
    »Und was machen wir morgen?«, fragte ich, denn wir hatten uns bereits Verona und Florenz und Rom angesehen.
    »Wir setzen uns den ganzen Tag ans Meer, und dann kannst du mir von deiner neuen Geschichte erzählen.«
    »Von dem Agenten, der durch den Geisterbahnhof in die DDR kommt«, sagte ich grinsend.
    »Cool, aber nenn ihn bloß nicht Claudius.«
    »Warum denn nicht?«
    Als er protestieren wollte, zog ich ihn an mich und küsste ihn.
    ENDE

Nachwort
    Das Schreiben dieses Buches war für mich eine Reise in meine Kindheit und Jugend. Eine Jugend, die geprägt war von Pioniertüchern, FDJ -Hemden, Jugendweihe, schulischen und außerschulischen Pflichten auf der einen Seite – und Westmusik, Westfernsehen, Intershops, den Milka-Schokoladen der benachbarten Rentnerin und der Sehnsucht nach der Ferne.
    Beim Schreiben kamen all die Erinnerungen wieder hoch. Teilweise absurde Dinge, die wir in und außerhalb der Schule tun mussten, aber auch schöne Zeiten, Unbeschwertheit, Träume. Ich war fünfzehn, als die Mauer fiel, knapp jünger als meine Heldin Milena. Ein paar meiner eigenen Charakterzüge habe ich ihr mitgegeben.
    Ich habe meine Geschichte in Berlin angesiedelt, weil die Stadt ein Sinnbild für das geteilte Land war. Die Mauer war für die Berliner ein ständiger Begleiter und ein ständiges Ärgernis. Auf Ostseite gefürchtet und mit dem Blut von Flüchtlingen getränkt, auf Westseite furchtlos mit Graffiti verziert. Hier standen sich zwei Gesellschaftsordnungen direkt gegenüber – sich gegenseitig mit Atomwaffen bedrohend. Berlin – Stadt des Kalten Krieges.
    Als ich 1988 zum ersten Mal in Berlin war – auf der Ostseite natürlich –, habe ich die Mauer gesehen und ein furchtbares Unbehagen gespürt. Bisher war die Grenze zum Westen nur Schulstoff gewesen, gesehen hatte ich sie vorher nie. Nun empfand ich es als vollkommen ungerecht, denn wogegen sollte uns der »Antifaschistische Schutzwall« schützen? Gegen unsere eigenen Landsleute? Uns war trotz der versuchten Gehirnwäsche im Staatsbürgerkundeunterricht klar, dass die Westdeutschen keine mordlustigen Verrückten waren.
    Ich selbst
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