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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt
Autoren: C Westendorf
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Hinrichs war acht Jahre lang die Patientin von Dr. Mandel gewesen. In dieser Zeit schien sie ihn regelmäßig aufgesucht zu haben. Anna pfiff leise durch die Zähne.
    „Hören Sie sich dieses hier einmal an, Weber. Librium, hundert Stück; da, drei Monate später dasselbe. Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist das eine Kombination aus einem Antidepressivum und einem Beruhigungsmittel. Wir werden die Mandel bitten, uns diese Akte für einen Tag zu überlassen. Dann fertigen wir eine Kopie an und bringen sie auf direktem Weg zu Dr. Severin.“
    „Ich weiß wirklich nicht, wie uns das helfen sollte, unseren Fall zu lösen, Anna. Von mir aus kann die Mutter von Esther Lüdersen geschluckt haben, was immer sie wollte. Das ist doch alles schon eine Ewigkeit her.“
    „Trotzdem, vielleicht ist mit diesem Totenschein nicht alles in Ordnung.“
    „Und wenn, was täte das jetzt noch zur Sache?“
    „Wilfried Hinrichs hat mir nachdrücklich versichert, eine sehr glückliche Ehe mit seiner Frau Johanna geführt zu haben. Aber nach dem, was wir von Frau Mandel über die Familie Hinrichs erfahren haben, mag ich das nicht mehr glauben. Warum hat er uns nicht die Wahrheit gesagt, Weber? Wir müssen dieser Sache hier unbedingt nachgehen, weil wir damit möglicherweise Genaueres über die Familienverhältnisse von Esther Lüdersen herausbekommen. Und je mehr wir über das Opfer wissen, desto näher kommen wir damit vielleicht auch dem Täter.“
    Nachdem die Kommissare eine Kopie der Krankenakte von Johanna Hinrichs in die Rechtsmedizin zu Dr. Severin gebracht hatten, waren sie umgehend wieder an ihren Schreibtisch zurückgekehrt. Anna las in den Aufzeichnungen des Hausarztes, Weber beschäftigte sich derweil mit seinen Zimmerpflanzen.
    Dr. Severin hatte auch schon zurückgerufen und Annas Vermutungen bezüglich der Medikamentenwahl für seine Patientin Johanna Hinrichs bestätigt.
    „Das waren schon andere Zeiten damals in den fünfziger Jahren, Weber. Dieser Dr. Mandel hat Johanna Hinrichs über einen langen Zeitraum hinweg dieses Librium verschrieben, ein Medikament, das ein hohes Suchtpotenzial aufweist. Allerdings sehe ich hier keine einzige Überweisung an einen Neurologen oder Psychologen.“
    Weber stellte seine Sprühflasche auf die Fensterbank zurück.
    „Ich weiß wirklich nicht, was das hier werden soll, Anna. Meinen Sie nicht, dass Sie gerade auf dem besten Weg sind, sich zu verzetteln?“
    „Warum müssen Sie nur immer so schrecklich pragmatisch sein? Man bekommt ja direkt den Eindruck, als könnten Sie nur nach einem vorgefertigten Schema denken.“
    „Na, dann kann ich ja genauso gut gehen. Mir ist nämlich so, als würde es bei Frau Schenkenberg gleich Kuchen geben.“
    „Tut mir leid, war nicht so gemeint, Weber. Bleiben Sie doch bitte noch einen Augenblick, ich möchte Ihnen gern etwas vorlesen. In dieser Akte steckt eine handschriftliche Notiz von Dr. Mandel, die er am Todestag von Johanna Hinrichs aufgeschrieben hat. Er schien sich bezüglich der Todesursache nicht ganz sicher zu sein. ,Suizid?‘ steht hier. Daneben: ,Fremdverschulden?‘, das ist durchgestrichen worden. Und dann ,armer Wilfried‘. Möglicherweise hat der Hausarzt trotz seines Verdachts deshalb keine Obduktion von Johanna Hinrichs angeordnet. Wahrscheinlich hat er Wilfried Hinrichs und der kleinen Esther nicht noch zusätzlichen Kummer bereiten wollen.“
    „Meine Güte, Anna, hören Sie bloß auf damit, sich dermaßen in Ihre Spekulationen hineinzusteigern. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten.“
    Nun verließ Weber tatsächlich das Büro, und Anna blieb allein an ihrem Schreibtisch zurück.
    Tiefe Gefühle, dachte sie. Verdrehte Gefühle. Einmal angenommen, Johanna Hinrichs wäre keines natürlichen Todes gestorben? Dann hatte sie sich vielleicht selbst getötet. Es könnte aber auch ein Versehen gewesen sein. Sie selbst oder ein Dritter konnte die Medikamente irrtümlich zu hoch dosiert haben und ihr krankes Herz hatte dieser Belastung nicht standgehalten. Viele Gründe waren für das Herzversagen von Johanna Hinrichs denkbar, und irgendetwas sagte Anna gerade, dass der Schlüssel für den Mord an Esther Lüdersen auch im Schicksal ihrer Mutter begründet sein könnte. Hatte ihre Geschichte am Ende sogar das Leid ihrer Tochter besiegelt?
    Was hatte Wilfried Hinrichs doch gleich in Bezug auf die Ehe seiner Tochter Esther mit Alfons Lüdersen angemerkt? Es war irgendetwas vom Ende des gemeinsamen Weges gewesen. Es hatte sich so
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