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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt
Autoren: C Westendorf
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meine Probleme mit Anna zu sprechen, und du hast sie hinter meinem Rücken gefickt.“
    „Ich bin einfach zu feige gewesen, den Mund aufzumachen, aber ich wusste, dass Anna so oder so irgendwann mit dir reden würde. Trotzdem, mein Junge, du wirst dich ändern müssen, wenn du sie auf Dauer halten willst. Du musst dich verdammt noch mal mehr um sie bemühen.“
    „Vielen Dank für den Tipp“, gab Tom ironisch zurück. „Geh jetzt besser, Jan. Ich werde den Eltern sagen, dass ich vergeblich auf dich gewartet habe. Du kannst ihnen später irgendetwas erzählen, es fällt dir ja offensichtlich nicht schwer, dich zu verstellen.“
    Ohne sich noch einmal umzublicken, ging Tom über den Parkplatz davon, stieg in seinen Wagen und fuhr los. Er fühlte sich seltsam unberührt. Inmitten der wilden Nordseelandschaft Fanos kam Tom auf einmal das wunderbare Licht auf der Piazza del Campo in Siena in den Sinn. Er war schon lange nicht mehr dort gewesen, und er wünschte sich, dass seine Wut ausreichen würde, um allein nach Italien zu fahren. Er wollte so viel Abstand wie nur irgend möglich zwischen sich und Anna bringen.
    Wilfried Hinrichs spürte, dass es nun nicht mehr lange dauern würde. In den vergangenen Tagen hatte er sich nur unter großer Kraftanstrengung zum Aufstehen zwingen können. Jetzt saß er allein in der Kapelle und schrieb gerade den letzten Eintrag in sein Buch. Wilfried hoffte, er würde sich nicht endlos quälen müssen. Nicht wie Johanna, die in den letzten Jahren ihres Lebens leider nur noch gelitten hatte. Vielleicht ein kurzer Schmerz, das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, dann endlich würde er wieder mit Johanna verbunden sein. Mit Johanna und auch mit Esther, die er irgendwann zu lieben lernte, selbst wenn sie ihn nie so richtig zu nehmen gewusst hatte. Trotzdem waren Johanna und sie immer die wichtigsten Menschen in seinem Leben gewesen, das sich nun unwiederbringlich dem Ende näherte. Warum nur hatte Esther zum Schluss in einem fort in der Vergangenheit herumstochern müssen? Warum hatte sie nicht alles so lassen können, wie es war? Wilfrieds Gefühle für sie wären schließlich dieselben geblieben, selbst wenn er ihre vielen Fragen über Johanna beantwortet hätte. Aber vielleicht wären dadurch Esthers Gefühle für ihren Vater andere geworden. Hatte Wilfried ihr deshalb nie etwas gesagt? Nein, er hatte nicht reden können, weil es selbst in der Rückschau noch undenkbar für ihn war. Es war richtig gewesen, dass er all die Jahre über geschwiegen hatte.
    Den ganzen Tag über hatte Anna Greve der Gedanke, dass es in diesem Fall die ganze Zeit um tiefe Gefühle gegangen sein könnte, nicht losgelassen. Sie bildeten möglicherweise den Hintergrund und das Motiv für diesen schrecklichen Mord an Esther Lüdersen. Anna wollte deshalb noch einmal ganz von vorn beginnen, vielleicht hatten sie ja etwas Wichtiges übersehen. Sie verschanzte sich hinter ihrem Schreibtisch, die Arbeitsplatte vollgeladen mit jedem Stück Papier, jeder Aktennotiz, die sie bis jetzt im Fall Esther Lüdersen zusammengetragen hatten. Vielleicht befand sich die Lösung hier direkt vor ihren Augen, und sie waren bisher einfach nur zu blind gewesen, sie zu finden. Systematisch begann Anna, Seite um Seite noch einmal durchzulesen. Ihre Aufmerksamkeit blieb an einer Kopie des Totenscheins von Johanna Hinrichs hängen. Die Mutter von Esther Lüdersen war früh an einem Herzversagen gestorben, das anscheinend am Ende einer langen, chronischen Krankheit gestanden hatte. Nun fiel Annas Blick auf den Namen des Arztes, der damals den Totenschein ausgestellt hatte. Dr. Mandel hieß er. Seine Praxisadresse lautete Baron-Voght-Straße 15, das war in Hamburg-Klein Flottbek. Wenn sie sich recht erinnerte, ging diese Straße direkt von der Elbchaussee ab und grenzte an den wunderschönen Jenischpark. Hatten die Hinrichsens früher nicht auch dort gewohnt? Anna schlug in den Akten nach: Tatsächlich, das Elternhaus von Esther Lüdersen hatte in der gleichen Straße gelegen, in der Baron-Voght-Straße 19. Demnach könnte Dr. Mandel die Familie Hinrichs gut gekannt haben. Höchstwahrscheinlich war dieser Arzt wohl schon tot, und wenn nicht, würde er auf keinen Fall heute noch praktizieren. Anna wählte seine Telefonnummer trotzdem, die mittlerweile ein wenig verblasst, aber immer noch gut lesbar auf dem Totenschein stand.
    „Praxis Dr. Amelie Mandel“, meldete sich eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.
    Anna stellte sich
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