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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt
Autoren: C Westendorf
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und zermarterte sich das Hirn auf der Suche nach möglichen Motiven. Wenn Mutter und Tochter einander zu sehr ähnelten, wirkte sich dies meist ganz anders aus. Die Zeitungen waren voll von sich wiederholenden, grauenhaften Schicksalen innerhalb einer Familie. Da gab es die Tochter, die als Kind miterleben musste, wie ihre Mutter vom Vater misshandelt wurde, ohne dass sie sich wehrte. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass diese Tochter als erwachsene Frau den Lebensweg ihrer Mutter wiederholte, indem auch sie sich einen gewalttätigen Mann als Partner wählte. Einen, der dem Vater glich. Aber im Fall Lüdersen ging es nicht um Gewalt in der Partnerschaft, hier ging es um Mord.
    Auch wenn es sie möglicherweise nicht weiterbrachte, würden die Kommissare noch einmal das Gespräch mit Wilfried Hinrichs suchen müssen. Wenn sie endlich wüssten, was in der Vergangenheit wirklich passiert war, würde sich ihnen vielleicht auch die Tür zur Gegenwart öffnen. Und dieses Mal wollte sich Anna nicht wieder mit Andeutungen zufriedengeben. Wilfried Hinrichs musste ihnen endlich erzählen, was damals mit seiner Frau Johanna geschehen war. Andernfalls würde Anna auch nicht mehr davor zurückschrecken, ihm mit der Exhumierung des Leichnams zu drohen.
    Weber war noch keine Minute von seinem Imbiss bei Antonia Schenkenberg zurück, als Anna auch schon aufstand und ihre Tasche in die Hand nahm.
    „Wir müssen unbedingt noch einmal zu Wilfried Hinrichs fahren. Für mich sind die Zweifel des Hausarztes an der Todesursache von Johanna Hinrichs Anlass genug für ein weiteres Gespräch mit ihm. Sehen Sie das wirklich anders?“
    „Na ja, mir geht die ganze Zeit dieses eine Wort von dem Hausarzt im Kopf herum“, gab Weber kleinlaut zurück. „Wenn er damals tatsächlich auch nur im Ansatz ein Fremdverschulden in Betracht gezogen hat, sollten wir der Sache wohl nachgehen.“
    Als Jan an diesem Abend in seine Londoner Penthousewohnung zurückkam, hatte er keinen Blick für die Schönheiten dieses Platzes. Sein Herz war schwer, seine Gedanken kreisten immer wieder um Anna. Er musste sie warnen. Sie sollte nicht unvorbereitet sein, wenn Tom sie zur Rede stellte. Einerseits bedauerte er es, dass die Wahrheit jetzt heraus war. Gleichwohl fühlte er sich erleichtert, den Bruder nun nicht mehr belügen zu müssen. Auch wenn Tom ihn zurzeit verachtete, war Jan zuversichtlich. Schließlich waren sie nicht nur Geschwister; er kannte genügend Beispiele, wo das allein gar nichts besagte. Sie waren darüber hinaus auch immer Vertraute gewesen. Es hatte keine einzige wichtige Entscheidung in ihrem Leben gegeben, die sie bislang nicht mit der Unterstützung des anderen gefällt hatten. Es mochte dauern, bis Tom ihm verzieh, vielleicht sogar eine lange Zeit. Aber irgendwann würden sie wieder das füreinander sein, was sie seit ihrer Kindheit schon immer gewesen waren – die besten Freunde.
    Er wählte Annas Nummern, doch weder im Büro noch auf dem Privatanschluss oder über das Handy konnte er sie erreichen. Jan hinterließ überall eine Nachricht in der Hoffnung, dass sie ihre Bänder abhören würde, bevor sie mit Tom sprach.

17
    Wilfried Hinrichs saß in seinem Lehnstuhl und las, als Anna Greve und Lukas Weber sein Zimmer betraten.
    „Es gibt Neuigkeiten, Herr Hinrichs“, begann Anna. „Ihr Schwiegersohn hat das Verbrechen an Olaf Maas gestanden.“
    „Alfons, ein Mörder?“
    Er legte sein Buch aus der Hand. „Ich hätte nie geglaubt, dass er zu einer derartigen Brutalität in der Lage ist.“
    Dann schwieg Wilfried Hinrichs. Er fragte nicht danach, ob sein Schwiegersohn auch für den Tod seiner Tochter Esther verantwortlich war.
    „Wie Sie sehen, beginnen sich die Nebel zu lichten, aber der Mord an Ihrer Tochter bleibt weiter rätselhaft. Herr Lüdersen versichert, nichts damit zu tun zu haben, und ich fange an, ihm zu glauben.“
    Abermals machte Anna eine Pause, um ihm die Möglichkeit zu einer Entgegnung zu geben. Das Gespräch mit Hinrichs verlief für ihren Geschmack zu einseitig – wie schon die anderen zuvor.
    „Ich glaube, der Täter muss jemand sein, der in enger Beziehung zu Ihrer Tochter gestanden hat. Unter diesem Aspekt haben wir leider bislang, trotz gründlicher Recherche, niemanden außer Ihnen, Ihrem Schwiegersohn und dem mittlerweile getöteten Olaf Maas gefunden.“
    „Dann sollten Sie vielleicht noch einmal von vorn beginnen, Frau Kommissarin.“
    Die Eiskristalle in seinen Gebirgsbachaugen glitzerten kalt und
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