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Und ewig seid ihr mein

Und ewig seid ihr mein

Titel: Und ewig seid ihr mein
Autoren: Roman Rausch
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er ist Teil von mir, er ist mein zweites Ich.»
    Levy ahnte, von wem er sprach. Der Teufel, der Satan oder der Beelzebub mussten herhalten, wenn das eigene Ich das Problem nicht lösen konnte. Die Verlagerung von Schuld auf eine außenstehende oder, wie in diesem Fall, auf eine innewohnende, übermächtige Person war ein gängiges Zeichen für die Unwilligkeit dieser Menschen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.
    Levy konnte sich einen sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Er wusste, dass das unprofessionell war, aber er wollte ihn reizen, mehr zu sagen, sich zu verteidigen. «Und Sie konnten sich nicht gegen
ihn
erwehren?»
    Die Bestie merkte auf. Sie spürte, dass Levy sie nichternst nahm. Drohend antwortete sie: «Sie haben keine Ahnung, wie mächtig er ist, wenn er erwacht.»
    «Was passiert dann mit Ihnen?»
    «Ich werde ausgeschaltet   … wie eine Lampe, die man ausknipst. Er übernimmt mich, tut, was ihm gefällt, macht mich zum Werkzeug seiner wahnsinnigen Wünsche.»
    «Sie erkennen also, dass Ihre Taten einer kranken Psyche entspringen?»
    «Es sind ja nicht meine Wünsche, verstehen Sie? Ich bin völlig gesund, aber er   … ich weiß, dass er böse ist und Böses tut.»
    «Warum hat er gerade Sie ausgewählt und nicht jemand anderen?»
    «Wir kennen uns schon lange, seit ich ein kleiner Junge war, um genau zu sein. Meine Mutter drohte mir mit
ihm
, wenn ich nicht artig war. Dann würde er mich holen, mitten in der Nacht, wenn ich alleine im Bett lag, während sie unterwegs war. Nur wenn ich ganz still sein würde, dann würde er an meinem Fenster vorbeigehen und zu einem anderen Kind gehen.
    Wir lebten damals am Rand eines Waldgebietes, die Bäume wuchsen auf Armeslänge an mein Fenster heran. Und eines Nachts, da konnte ich nicht schlafen, ich setzte mich auf, spähte durch die Gardinen auf den großen Baum vor unserem Haus   … und dann sah ich
ihn
. Er saß im Geäst, seine Augen funkelten mir entgegen, es raschelte. Ich schreckte zurück, verkroch mich unter dem Bett und weinte, aber nur leise, damit er mich nicht hören konnte. Doch es war zu spät. Ich hatte ihn gerufen, er kam zu mir, legte sich in mein Bett und forderte mich auf, zu ihm zu kommen. Ich gehorchte und stellte fest, dass er eigentlich gar nicht so schlimm war. Zumindest fühlte ich mich nicht mehr einsam.»
    «Haben Sie Ihrer Mutter davon erzählt?»
    «Natürlich nicht. Ich musste ihm mein Wort geben.»
    Levy hörte das Rascheln von Papier auf dem Band. Er hatte nach dem Verhörprotokoll gesucht.
    «Sie haben ausgesagt, dass Sie am dreiundzwanzigsten Mai um halb elf nachts die fünfundzwanzigjährige Vera K., nachdem Sie sie mit dem Auto von der Straße in ein Waldstück abgedrängt und dort mehrfach vergewaltigt hatten, schließlich mit einem mitgebrachten Hirschfänger verstümmelten. Präzise ausgedrückt, Sie schnitten Ihrem Opfer die Brustwarzen ab und rammten ihm das Messer in den Unterleib   …»
    «Das stimmt so nicht. Ich habe sie in Besitz genommen.»
    «Rammten ihr das Messer in den Unterleib, das Sie dann mehrmals drehten. Wenn die Vergewaltigte auf Grund dieser Verletzungen nicht bereits tot war, dann vollendeten Sie Ihr Werk, indem Sie einen tiefen Halsschnitt setzten, der, mit Kraft geführt, bis auf die Halswirbel vordrang.
    Noch einmal meine Frage: Wieso mussten Sie sie töten? Diese Gewalt, die Brutalität   … Hätte es nicht gereicht, sie nach der Vergewaltigung einfach liegen zu lassen? Vielleicht hätte sie noch eine Chance gehabt, wenn jemand vorbeigekommen wäre?»
    «
Er
hat es mir befohlen. ‹Erst wenn du sie totmachst, bist du frei›, hat er gesagt. Zuerst habe ich noch dagegen angekämpft, doch ich hatte keine Chance, seine Macht ist viel zu groß. Dann habe ich es getan. Und er hatte Recht. Als ich das Leben aus ihr weichen fühlte, überkam mich ein Hochgefühl, so, als ob ich schwebte   … und dann kam ich nochmal. Zuvor hatte ich nur abgespritzt. Das war nichts im Vergleich zu dem, was zum Schluss passierte. Erst als sie tot war, war ich frei, und ich fühlte mich wie neugeboren.»
    Nicht eine Miene hatte er verzogen, während er dies sprach. Levy hatte in sein Gesicht geschaut und war erstarrt. Die innerliche Unbewegtheit dieses Mannes spiegelte sich auf dessen Äußerem wider. Keine Spur von Aufgewühltheit, von Scham oder Reue war zu erkennen. Fast mutete sein Ton kalt an, wäre da nicht dieser einfältige Gesichtsausdruck des Schlächters gewesen, der nach dem Fall Vera
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