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Und ewig seid ihr mein

Und ewig seid ihr mein

Titel: Und ewig seid ihr mein
Autoren: Roman Rausch
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zurück.
    Levy wandte sich an Demandt, dem die Verärgerung über den Disput ins Gesicht geschrieben stand, oder sah er dort sogar Besorgnis? «Du gehst ein hohes Risiko mit mir ein», sagte Levy. «Warum?»
    «Ich meine, was ich über dich gesagt habe. Du bist der beste Mann für diesen Fall.»
    «Aber ich habe damals versagt.»
    «Willkommen im Klub.»
    «Was macht dich so sicher, dass ich dieses Mal nicht scheitere?»
    Demandt seufzte. «Der eigentliche Grund ist schlicht: Alle meine Leute sind anderweitig eingesetzt. In diesem Fall muss ich auf einen Freien zurückgreifen. Und da bist du die beste Wahl. Das ist das ganze Geheimnis. Wir sehen uns dann später.» Demandt ging Richtung Parkplatz.
    Levy schaute ihm noch eine Weile nach, dann ging er zu Dragan. Die Heckklappe des Kombis stand offen.
    «Es ist kein schöner Anblick», sagte Dragan und nahm den Deckel von einer Wanne ab.
    «Schon gut», antwortete Levy. «Ich sehe so etwas nicht zum ersten Mal.»
    Was sich den beiden zeigte, mutete seltsam indifferentan. Am ehesten konnte man diese blass-grünliche Masse, die in trübem Flusswasser lag, als die abenteuerliche Mutation eines Tiefseerochens bezeichnen. Doch sie war eindeutig menschlicher Natur.
    Dragan zog sich Handschuhe an, griff ins Wasser und hob den rund vierzig Zentimeter langen Atmungstrakt heraus. An ihm hingen von der Spitze nach unten sauber aufgereiht die vollständige Zunge, danach der Kehlkopf, die Luft- und Speiseröhre, die beiden Lungenflügel und schließlich der Brustteil der Aorta.
    «Ich schätze, das lag rund vier Tage im Wasser», sagte Dragan. Mit einer Hand zeigte er auf die schlaffen Lungenflügel, die unterschiedlich groß und stellenweise perforiert waren. «Fischfraß.»
    Doch Levy interessierte sich mehr für die Schnittränder, für diejenigen Stellen, an denen der Täter die Atmungsorgane vom Körper abgetrennt hatte.
    «Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?», fragte Dragan.
    Levy schaute sich die betreffenden Stellen genauer an. «Unser Mann hat dazugelernt. Damals waren die Ränder fransig geschnitten. Das hier ist weitaus fachmännischer gelöst.»
    Dragan pflichtete ihm bei. «Ein Anfänger hätte wahrscheinlich ein Skalpell benutzt. Das wäre in ein Gestochere ausgeartet. Ein scharfes Messer und eine sichere Hand haben diese sauberen Absetzungsränder bewirkt.»
    «Richtig. Aus dem Lehrling ist ein Meister geworden.»

4
    Balthasar Levy war nicht der Typ, der sich vor menschlichen Überresten, wie immer sie auch aussahen oder rochen, ekelte.
    Selbst eine grün-blasse schleimige Masse wie die, die sich vor ihm auf dem stählernen Obduktionstisch befand, konnte Hinweise auf das Opfer, im besten Falle auf den Täter in sich tragen. Eine niedrige Übelkeitsschwelle oder übertriebene ästhetische Vorstellungen waren eindeutig am falschen Platz. Es galt, diesem Klumpen Organ sein letztes Geheimnis zu entlocken.
    Insofern bestand Einigkeit zwischen Levy, Dragan Milanovic, dem Rechtsmediziner, und der Kriminalhauptkommissarin und Leiterin der Ermittlungen, Hortensia Michaelis. Zu dritt standen sie um den Obduktionstisch herum und suchten, jeder auf seine Art, nach Anhaltspunkten zur Identifizierung des Opfers. Doch was konnte man aus diesen Innereien überhaupt erschließen?
    Normalerweise wurden Leichen in mehr oder weniger ganzen Stücken in die Rechtsmedizin überstellt. Anhand des Körpers konnte man sehen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Des Weiteren gab es zumeist eindeutige Hinweise auf die Todesursache und auf den Todeszeitpunkt. Auch das Alter konnte durch eine äußere Inaugenscheinnahme taxiert werden. Zahnstatus und Fingerabdrücke waren weitere konkrete Sachverhalte, mit denen die Ermittlungsbehörden arbeiten konnten.
    Doch all das fehlte hier. Levy und Michaelis sahen sich der elementaren Grundinformationen beraubt, um in gewohnter Weise die Ermittlung einleiten zu können.
    Die ersten Fäulnisveränderungen am Atmungstrakt hatten zwar schon eingesetzt, aber die einzelnen Organe waren noch gut zu erkennen – die Zunge, die Gaumenmandeln und der Kehlkopf, Luft- und Speiseröhre im knorpeligen Mantel und die Gabelung der Bronchien, die in die beiden Lungenflügel führte. Was fehlte, war das Herz. Es war aus der schützenden Ummantelung zwischen den Lungenflügeln herausgeschnitten worden.
    Nachdem Dragan den Atmungstrakt vermessen und fotografiert hatte, begann er mit der äußeren Begutachtung. Er beugte sich über den Obduktionstisch, führte
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